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Samstag, 18. Mai 2013

Iran

Auf der Suche nach bemerkenswerten Leuten aus der weltweiten Oldtimerszene stoße ich irgendwann auf eine Person, deren "Eckdaten" mich neugierig machen. Der Mann lebt in Teheran und fährt  einen Motion-Baldwin Phase III Camaro aus den 1970er Jahren. Das ist an sich schon spannend genug, um mein gesteigertes Interesse zu wecken.

Bei weiteren Recherchen stieß ich noch dazu auf einen gemeinsamen Bekannten, den ich ohnehin schon einmal besuchen wollte. Dieser wiederum lebt in Florida - ein Heimspiel sozusagen - und so stand der Plan schnell fest, ihn bei meinem nächsten Aufenthalt ebendort zu treffen und mehr zu erfahren.

Oktober 2012
Zwischenzeitlich läutete jedoch mein Telefon und Ramin, der Mann aus Teheran meldete sich. Zu meiner Überraschung war er für zwei Tage geschäftlich in München und es sollte somit am nächsten Tage möglich sein, dass wir uns treffen. Kurzerhand wurden alle Termine abgesagt und so fuhr ich gespannt mit dem Motorrad in die Münchner Innenstadt.

Leider hatten wir nur knapp 2 Stunden Zeit, aber es reichte zumindest, um sich persönlich kennenzulernen und festzustellen, das man "die gleiche Sprache spricht". Tatsächlich ist die internationale Kommunikation relativ einfach, wenn beide Gesprächspartner englisch sprechen. So zeigte er mir viele Fotos, die ihn und seine Oldtimerfreunde in Teheran und Isfahan zeigen. Sogar eine Oldtimer-Rallye veranstalten die Leute. Und einen Club haben sie auch: Die "Tehran Cafe Racers". Ich staune.

November 2012:
Vier Wochen später sitze ich in Sarasota bei Marty, dem Gründer der "Sarasota Cafe Racers" und diskutiere mit ihm über Sinn und Unsinn der Politik und warum er überhaupt Ramin kennt. Eigentlich ganz einfach, erklärt er mir, denn er hat vor einiger Zeit ein Buch über Motion-Baldwin (eine amerikanische Tuningfirma) und Ramin besitzt eben einen der seltenen Motion-Baldwin Camaros.


"Car Guys who lunch" in Sarasota, Florida, und ein paar der dazu gehörenden Autos.


Unten der Verfasser mit Marty, Gründer der "Sarasota Cafe Racers"



Das Gespräch führt unter anderem dazu, dass ich mich entschließe, mit meinem schon lange angedachten Vorhaben, eine lockeren Stammtisch für "Car Guys" zu gründen, ernst zu machen. Mein Gedanke war immer, abseits von allen Zwängen, die ein normaler Club mit sich bringt, in lockerer Reihenfolge und Atmosphäre mit angenehmen Leuten ohne Vereinsmeierei "Benzin zu reden". Eine Art "Cars & Coffee" also. Marty's "Non-Club Club" kam der Sache also schon  recht nahe.  Zurück in München, wurden daher bald die "Munich Cafe Racers" ins Leben gerufen, die sich seitdem in unregelmäßigen Abständen in unregelmäßigen Lokalen auf Zuruf treffen. Teilnehmen kann jeder, vorausgesetzt, er wird eingeladen. Wer Interesse hat, kann sich gerne über o. g. Link unverbindlich an mich wenden. Einzige Voraussetzung: Benzin im Blut. Der Besitz eines Autos (Oldtimer, Sportwagen etc.) ist zwar gerne gesehen und hilfreich, jedoch nicht zwingend. Die innere Einstellung zählt.

Während der folgenden Monate stehe ich via Internet in regem Kontakt mit Teheran und so reift mit der Zeit der Gedanke, in den Iran zu reisen und dort eine Oldtimerveranstaltung zu besuchen. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass mich jeder für verrückt erklärte ob dieses "schwachsinnigen Vorhabens". Allen voran meine Frau, die jedoch dahingehend auch schon Kummer gewohnt ist...

Plötzlich steht der Termin - Anfang Mai soll sie stattfinden, die Oldtimer-Rallye von Teheran ans Kaspische Meer. Nicht, dass ich da immer schon mal hin wollte, aber trotzdem: Diese ungewöhnliche Veranstaltung interessierte mich von Anfang an, der Termin passte in meinen Kalender und so hatte ich wieder ein Ziel.

April 2012:
Im Juni sind Wahlen im Iran. Vielleicht ist das der Grund, warum es irgendwie mit der Genehmigung der Rallye nicht recht voran geht. Plötzlich rief mich eine freundliche junge Dame aus Teheran an und verband mit mit Ramin, der mir eröffnete, dass der Termin wohl um ca. 2 Wochen verschoben werden muss.

Dumme Sache, sage ich, denn da sind Pfingstferien und meine Frau hat sich extra Urlaub genommen, damit wir zusammen mit unserer Tochter wegfahren können. Kein Problem, meint Ramin, nimm sie doch einfach beide mit. Gute Idee eigentlich. Dass ich da nicht gleich von selbst darauf gekommen bin!

Die erste Reaktion auf meinen nahe liegenden Vorschlag, den anstehenden Urlaub im Iran, statt irgendwo entspannt am Strand zu verbringen, war, na ja, verhalten. Doch die anfängliche Ablehnung wich bald einem gewissen Interesse. Es folgten zahlreiche Debatten mit Familie, Freunden und Bekannten. Die praktisch einhellige Meinung all derer, die noch nie im Iran waren (also fast alle) war, dass das doch vollkommen unmöglich sei. Und gefährlich. Ebenso einhellig war jedoch die Meinung der wenigen, die schon mal dort waren, nämlich durchwegs sehr positiv. Klärende bilaterale Gespräche zum Thema kultureller Unterschiede, Kleiderordnung und sonstiger beachtenswerter Punkte folgten und sehr bald stand der Entschluss fest, dass wir zu dritt in den Iran reisen werden. Meine beiden Damen eben mit Kopftuch. Ist dann halt so und tut ja auch nicht weh.

18. Mai 2013
Die Urlaubsvertretung im Büro ist sichergestellt. Meine Emails werde ich wohl trotzdem erhalten und sicher auch zwischendurch mal bearbeiten können. Von daher ist also alles im grünen Bereich. Als sehr spannend erweist sind die Visa-Frage. Nach langem Hin und Her tendieren wir dazu, der Aussage von Ramin, der als einziger sagt, dass wir ein Touristenvisum bei Einreise in Teheran bekommen können (max. für 14 Tage), zu vertrauen. Alle (und ich meine alle) anderen Quellen im Internet - vom Auswärtigen Amt bis zur Handelskammer, sämtlichen Reiseveranstaltern, Globetrottern und Reiseblogs sprechen davon, dass man sehr wohl vorher ein Visum braucht. Das würde zudem nur ausgestellt, wenn man eine entsprechende "Reservierungsnummer" hat, die man irgendwie jedoch nirgends zu bekommen scheint. So entschließen wir uns zu einem hoffentlich klärenden Besuch des iranischen Konsulates in München. Das war vorgestern. Die Auskunft war relativ eindeutig: wir würden es schon am Flughafen bekommen. Schriftlich bekommen wir das allerdings nicht. So standen also 2 positiven ca. 20 negative Aussagen gegenüber. Klar Fall - übermorgen geht's los. Was kann schon groß schiefgehen? Höchstens, dass wir nicht einreisen können. Aber das klappt schon. Ich bin da ganz zuversichtlich.

Eine Frage bleibt jedoch offen: Ich kann wahrscheinlich diesen Blog von unterwegs nicht erreichen, um ihn zu aktualisieren. Wenn das wirklich so ist, werde ich eben täglich schreiben, aber erst nach unserer Rückkehr online veröffentlichen. Das sollte dann um den 30. Mai sein. Außer, wir können doch nicht einreisen. Dann wird es ein eher sehr kurzer Blog, der dafür aber bereits am 22. Mai öffentlich sein sollte.

Juni 2013

Wie erwartet, gab es keine vernünftige Möglichkeit, den Blog live zu schreiben. Das Internet war, wenn es überhaupt funktioniert hat, sehr langsam. Wie wir hörten, schien das auch mit der bevorstehenden Wahl zusammen zu hängen. So schreibe ich nun also den Blog nachträglich...



20. Mai 2013

Das Abenteuer Iran nimmt seinen Lauf, als wir am Abend des 20. Mai in München das Flugzeug nach Dubai besteigen, wo wir am 21.5. frühmorgens ankommen. Noch immer haben wir keinerlei Gewissheit, ob es mit der Einreise in den Iran klappt oder nicht. In Dubai angekommen hetzen wir durch das lange Terminal, um sowohl am Schalter für Anschlussflüge, als auch am Gate einigermaßen Verwirrung zu stiften. Mir scheint, dass die Frage, ob wir ohne bereits vorhandenes Visum überhaupt in die Maschine nach Teheran einsteigen können, nicht mit absoluter Sicherheit geklärt werden kann. Schließlich bekommen wir aber unsere Bordkarten und können fliegen.

Die Maschine landet planmäßig auf dem Imam Khomeini International Airport, rund 40 km südlich von Teheran. Angesichts der Tatsache, dass Teheran eine 12 Millionen-Stadt ist, ist recht wenig los auf dem Flughafen. Auf dem Weg zum Gepäckband erreichen wir bald ein Büro, das mit einem schlichten Schild „VISA“ gekennzeichnet ist. Eine Handvoll Leute drängelt sich davor. Bewaffnet mit je 2 Passbildern (die Damen selbstverständlich mit Kopftuch), den bestätigten Rückflugtickets etc. stelle ich mich an, um dann weder nach den Passbildern, noch nach der geplanten Ausreise, geschweige denn nach den bestätigten Rückflugtickets gefragt zu werden. Man fragt lediglich nach einer Kontaktadresse. Ich gebe dem Beamten daraufhin die Telefonnummer unseres Freundes, der uns abholen wird und werde gebeten, erst mal zu warten. Wenige Minuten später bekomme ich einen Zettel und soll damit nebenan die Gebühr von je € 50 bezahlen. Weitere 5 Minuten später haben wir die Pässe samt Visum wieder in der Hand, begeben uns zum Einreiseschalter (ohne anstehen!), bekommen dort sofort und ohne weitere Fragen unseren Stempel in den Pass gedrückt und sind fertig. Die Einreise in die USA ist normalerweise deutlich umständlicher (Fingerabdrücke usw).

Unser Freund wartet auch schon auf uns - angesichts der überschaubaren Menschenmenge im Einreisebereich des Terminals sehen wir ihn schon von weitem. Unser Gepäck wird noch mal  durchleuchtet und fertig. Keinerlei weiteren Fragen. So einfach ist das. Ich frage mich, wieso in Deutschland eine solch krasse Desinformation betrieben wird.

Unser Gepäck wird teilweise auf dem Dach der viertürigen, gelben Iran Khodro - Taxilimousine verzurrt, weil der Kofferraum wegen eines Gastanks nur eingeschränkt nutzbar ist, und so rollen wir spannungserfüllt nach Teheran. Die Stadt erwartet uns mit einigermaßen chaotischen Verkehr. Mir fällt sofort auf, wie sauber es überall ist. Und dass es jede Menge Geschäfte gibt, die offenbar alles zum Verkauf bieten, was man so braucht. Eigentlich eine ganz normale Großstadt. Auch das Hotel erweist sich als vollkommen ok und nach einer kurzen Verschnaufpause auf dem Zimmer geht es auch schon weiter.

Der erste Programmpunkt ist ein Besuch des „Historical Car Museums of Iran“. Das Museum liegt etwas außerhalb inmitten eines Industriegebietes und beherbergt eine stolze Sammlung von Fahrzeugen, die hauptsächlich aus dem Bestand der Familie des letzten Schahs von Persien stammen. Natürlich kann man hier kein Museum „westlicher Qualität“ erwarten. Es handelt sich eher um eine aufgeräumte Lagerhalle, aber immerhin sind die Autos so vor Verfall und Vandalismus gerettet und können von der Öffentlichkeit besichtigt werden. Dass dies hier überhaupt möglich ist, muss der freiwilligen Arbeit der Männer des Classic Car Commitees der Automobilfederation angerechnet werden, die auf diese Weise die Fahrzeuge vor „Verwertung“ durch Verkauf oder Verschrottung retteten. In ihrer Freizeit haben sie hier aufgeräumt und einige der vorhandenen Autos wenigstens soweit hergerichtet, dass sie gezeigt werden können.

Ja, man könnte sich eine attraktivere Farbgebung für den Autobahnkurier vorstellen!

1925 Pierce Arrow

Das unumstrittene Highlight der im Jahr 2001 eröffneten Ausstellung ist ein Mercedes-Benz Autobahnkurier von 1936, der hier einfach so in äußerlich ziemlich unberührtem Zustand herumsteht. Leider ist der originale Motor (laut noch vorhandenem Typenschild eine 5,4 Liter Maschine – es müsste also ein 540 K sein, obwohl die Dokumentation von einem 500 K spricht) gegen einen Cadillac V8 ausgetauscht worden. Trotzdem, wer hätte so etwas gedacht?!
Ebenfalls ein Highlight ist ein auf den ersten Blick unscheinbarer, schwarzer Porsche 911, der eigentlich einer von nur 31 Porsche 934 RSR ist. Es handelt sich offenbar um den ursprünglich orange (Jägermeister) lackierten Wagen des Max Moritz/Jägermeister Teams, dessen erstes Rennen 1976 am Nürburgring stattfand – mit Startnummer 53 und einem respektablen dritten Gesamtplatz (Fahrer u. a. Derek Bell). Neben einigen Ferrari, Lamborghini und einem Bizzarini 5300 GT Strada, sind noch der teilweise vergoldete Pierce Arrow von 1925 mit der leicht zu merkenden Fahrgestellnummer 1 (Foto oben) und ein seltener 1956er Chrysler Ghia 300K Spezial sehr erwähnenswert. Letzterer war ein Geschenk des Schahs an seine zweite Frau, Soraya.

Nachdem die Sammlung ausgiebig besichtigt ist, fahren wir in die Hobby-Werkstatt eines Freundes unseres Gastgebers, die ganz in der Nähe liegt. Dort finden wir neben einem wunderschön restaurierten, roten 1969er Ford Mustang Mach I (der vor der Restaurierung auf einem Hillman Hunter Fahrwerk stand und auch dessen Rücklichter trug) noch weitere amerikanische Fahrzeuge, die auf Restaurierung warten. Darunter ein Buick Riviera oder ein Chevrolet Pickup aus den frühen 50er Jahren, sowie weitere Ford Mustangs. Die aus Holz nachgebaute, amerikanische Tankstellen-Kulisse (Texaco) verrät ein wenig über die Gesinnung des Hauherrn und den Enthusiasmus, mit dem hier zu Werke gegangen wird.

Dodge Charger, noch im Dornröschenschlaf


Ein paar Häuser weiter befindet sich eine professionelle Werkstatt, in der nicht nur normale Autos repariert, sondern auch Oldtimer restauriert werden. Hier entdecken wir eine Buick Limousine aus den 70er Jahren mit angeblich rund 900 PS, die erst kürzlich einen neuen Porsche Panamera auf der Rennstrecke im Sprint beeindruckend abgehängt hat, wie man uns erzählt. Über der Grube steht ein weißer Porsche 356 A, der für die morgige Rallye vorbereitet wird. Der rote Camaro im Hof ist schon startbereit. Wir sind also schon am ersten Tag einigermaßen überrascht.



Weiter geht es zur „Motorcycle and Automobile Federation of the Islamic Republic of Iran“ wo wir einen Termin mit dem Präsidenten, Herrn Hamid Reza Mehrali und dessen engsten Mitarbeitern haben. Die Vorstandschaft heißt uns herzlich willkommen und man freut sich offensichtlich über das erste internationale Interesse an der Rallye, die natürlich auch vom guten Willen und der Unterstützung der Föderation abhängig ist. Nach einem angenehmen Gespräch bei Tee und Kuchen werden wir von weiteren Oldtimerfreunden „übernommen“, die uns nun zu einem Oldtimersammler bringen, der bereit ist, uns seine private Oldtimersammlung zu zeigen. Wir erfahren, dass es sich dabei um einen der reichsten Männer des Iran handelt. Er erweist sich als überaus sympathischer Gastgeber der uns stolz seine Schätze zeigt, die sich auf mehrere Parkplätze in unterschiedlichen Etagen der Tiefgarage des Appartement-Hochhauses verteilen. Seine erklärten Lieblinge sind ein wunderschönes Mercedes-Benz 320 Cabriolet und ein weißer 300 SL Flügeltürer, sowie ein knallgelber Morgan Plus 4, der stolz das dritte „H-Kennzeichen“ trägt, das überhaupt vom Iran vergeben wurde – eine Errungenschaft des Classic Car Commitees.


Bei Tee und Knabbereien erzählt er uns in seiner Wohnung, die über einen tollen Blick über ganz Teheran verfügt, ein wenig über die gesellschaftliche Situation im Iran und wir verstehen, dass es nicht immer leicht ist, im Iran reich zu sein. Als wir langsam ans Aufbrechen denken, will er uns doch nicht gehen lassen, ohne zuvor einige seiner Autos wenigstens einmal kurz laufen zu lassen. Es ist eben überall das gleiche – das Kind im Manne spielt eine fundamentale Rolle im Oldtimerhobby. So begeben wir uns also wieder in die Tiefgarage und beginnen mit dem 300SL.  Kaum ist er abgedeckt  und aufgesperrt, drückt er mir die Schlüssel in die Hand und meint, dass ich doch sicher gerne mal fahren würde. Gut – darauf war ich nun wirklich nicht gefasst und mit halbwegs gemischten Gefühlen manövriere ich das wertvolle Auto aus der Tiefgarage und fahre damit einmal um den Block. Wer hätte gedacht, das meine erste Fahrt am Lenkrad eines 300 SL Flügeltürers nächtens durch Teheran führt?! Natürlich wollen nun auch meine Tochter und meine Frau eine Runde mitfahren, wofür ich das Lenkrad aber doch lieber dem Besitzer überlasse. Schließlich war der 300 SL wieder eingeparkt und nun wurde das Dach des 320er Cabrios geöffnet. Auch dieser Wagen sprang sofort an und mit insgesamt 6 Personen besetzt sind wir durch die nächtlichen Straßen der iranischen Hauptstadt gefahren, was durchaus Aufmerksamkeit erregte. Zahlreiche positive Zurufe aus offenen Autofenstern zeigen, dass es auch in der iranischen Gesellschaft Menschen gibt, die es zu schätzen wissen, dass solche Autos noch bewegt werden.

Ein gemeinsames, reichhaltiges Abendessen mit regionalen Gerichten (viel Reis, viel Fleisch – das Essen erinnert ein wenig an die Türkei) beschließt diesen erstaunlichen Tag und wir sind gespannt, was die Reise noch an Überraschungen und Erlebnissen für uns bereithält.


21. Mai 2013


Der zweite Tag im Iran. Heute beginnt die Rallye „Tehran to Gilmaz 1392/2013“. Wir werden um 8 abgeholt und zum Startplatz gebracht. Dort angekommen, finden wir bereits eine ansehnliche Menge von Old- und Youngtimern vor. Überwiegend amerikanische Autos, gefolgt von deutschen Fabrikaten. Wir sehen einige Camaros, zwei Corvettes aus den 70ern, einen Pontiac GTO, ein paar Mercedes. Überall werden Startnummern und Sponsorenaufkleber angebracht. Es ist das gleiche Bild wie bei heimischen Rallyes, das Ganze könnte sich auch irgendwo in Deutschland abspielen. Der Chef der Föderation ist auch anwesend und beobachtet mit seiner Delegation das bunte Treiben wohlwollend. Wir lernen Daniel Bernbeck kennen, den Geschäftsführer der deutsch-iranischen Industrie- und Handelskammer (was es alles gibt...), der vor zwei Jahren mit seinem 1971er 280S Mercedes W108 auf dem Landweg von Teheran nach Berlin zu einem Mercedes-Treffen gefahren ist. Und wieder zurück. Insgesamt rund 13.500 km. Begleitet wurde er dabei von seiner Frau Annette und einem Freund, der die Tour mit seinem 76er W116 (280S) unter die Räder nahm und der heute auch hier ist um an der Rallye teilzunehmen. Er ist seines Zeichens Präsident des Mercedes Clubs Irans, spricht fließend deutsch und verkauft hauptberuflich Porsche, sowohl im Iran als auch im Irak.



 Start mit Übergabe der Rallyeunterlagen - ich helfe ein wenig mit


Zunächst führt die Route über 35 km Autobahn, bis die Stadt endgültig hinter uns liegt. Wir fahren in einem der Supportfahrzeuge mit, unser Fahrer war für die Streckenführung der Rallye verantwortlich und kommt daher ohne Roadbook aus. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, denn lesen kann ich das in Farsi abgefasste Roadbook ohnehin nicht. An einem der zahlreichen Melonenstände (blaue, mit einem Berg von Wassermelonen beladene Pickups, die einfach am Straßenrand parken) nehmen wir zwei besonders vielversprechende Exemplare als Wegzehrung mit und verspeisen sie kurz darauf an einem strategisch günstig gelegenen Parkplatz. Andere Teilnehmer brummeln mit sattem V8-Sound vorbei. Die Straße führt bergan durch den Elburs, ein Hochgebirge, das bis zu 5.671 m (die höchste Erhebung ist der Vulkan Damavand) hoch aufragt und die Teheran vom Kaspischen Meer trennt.



Plötzlich große Aufregung. An einer Polizeistation wurden einige Teilnehmerfahrzeuge der Rallye aufgehalten. Es stellt sich heraus, dass die Polizei hier offenbar nichts von der Rallye weiß. Der diensthabende Chef will auch die Kopien der Genehmigung nicht akzeptieren und droht zunächst damit, dass gar keiner weiterfährt. Nach längeren Verhandlungen schließlich, können einige Teilnehmer weiterfahren. Allerdings müssen sie die Startnummern und Sponsorenaufkleber entfernen, um wie völlig normale Verkehrsteilnehmer auszusehen. Es wird weiter verhandelt, Führerscheine und Fahrzeugpapiere werden eingesammelt und überprüft, die Föderation angerufen. Scheinbar hat die Genehmigungsbehörde versäumt, diese Polizeistation von der Rallye zu informieren. Sicher spielt es auch eine Rolle, dass aufgrund der bevorstehenden Präsidentschaftwahlen Mitte Juni eine gewisse Nervosität herrscht. Nach ca. 3 Stunden klärt sich jedoch alles auf und alle dürfen weiterfahren.

Die Gebirgsstraße führt durch ein enges Tal, in dem dicke Wolken und Nebel hängen. Im Wald sind hier und da noch Schneereste zu sehen, wir sind sicher in ca. 3.000 m Höhe unterwegs. Es beginnt leicht zu regnen und ist einigermaßen ungemütlich, trotzdem ist die Gebirgslandschaft sehr beeindruckend.



Plötzlich erwartet uns eine Gruppe Motorradfahrer am Straßenrand. Sie wollen uns zur Mittagspause eskortieren. Durch die Verzögerung sind wir schon sehr spät dran, aber für die Mitglieder des örtlichen Motorsportclubs ist es ein willkommener Anlass, ihre schweren Maschinen zu bewegen. Normalerweise dürfen im Iran nur Motorräder bis 250 ccm gefahren werden. Für die schweren Maschinen gibt es genau definierte Ausnahmen. Sie dürfen nur auf Rennstrecken zu Veranstaltungen (und dem Weg dorthin), oder eben zu solchen Anlässen auf der Straße bewegt werden. Die Motorradler nutzen die Gelegenheit auch weidlich aus und fahren forsch voran, lassen sich wieder zurückfallen, nur um wieder etwas beschleunigen zu können. Ein nicht ganz ungefährliches Spiel, wenn ich mir den Zustand der teilweise noch regennassen Straße und die Tiefe des Restprofils der Motorradreifen ansehe. Aber die Jungs beherrschen ihre Fahrzeuge ganz souverän.  Als wir das Lokal erreichen, realisiere ich, dass die Nummernschilder der großen Motorräder  alle ein knapp 10 x 10 cm großes, farbiges Passbild des berechtigten Fahrers aufweisen - so etwas habe ich bisher auch noch nie gesehen.

 Unsere Motorradeskorte

Das für uns unlesbare Banner heißt die Rallye willkommen. Der örtliche Bürgermeister begrüßt uns zudem persönlich und überreicht uns eine Erinnerungsurkunde (die wir allerdings leider auch nicht lesen können).


Da das Hochgebirge zwar rund 600 km lang, aber nur rund 80 km breit ist, erreichen wir bald das Kaspische Meer und sind somit dem Tagesziel Ramsar schon ganz nahe. Das Hotel versprüht ein Ambiente, das sehr an ähnliche Anlagen in der ehemaligen DDR erinnert. Tatsächlich wird es auch als eine Art „Erholungsheim für Funktionärsgattinen“ genutzt. Dementsprechend viele, in schwarze Tschadors gehüllte, also eher konservative, Frauen sind hier anzutreffen. Da wir als offizielle Gäste der Föderation bei dieser Rallye dabei sind, hat man für uns das beste Zimmer vorgesehen. Eigentlich ein ganzes Haus, deutlich näher am Strand gelegen, als der Rest des Hotels und außerdem kreisrund und mit einem riesigen Wohnzimmer.

Ramsar, eine kleinere Stadt mit ca. 35.000 Einwohnern, war früher ein beliebter Badeort, der seine besten Zeit schon länger hinter sich hat. Auch der Schah hatte hier sein Ferienhaus. Einige moderne Hochhäuser zeugen jedoch davon, dass es wohl wieder etwas aufwärts geht, mit diesem Ort, der übrigens über den am niedrigsten gelegenen Flugplatz der Welt verfügt (21 m unter dem Meeresspiegel). Ein weiteres Superlativ ist, dass hier die weltweit höchste natürliche Strahlenbelastung gemessen wird, hervorgerufen durch heiße Quellen. Und noch etwas erscheint sonderbar: 1971 wurde hier die sog. Ramsar-Konvention unterschrieben, eine der frühesten internationalen Abkommen zum Thema Umweltschutz. Von all diesen Rekordmarken bemerkt man aber rein gar nichts. Nur der kleine Flugplatz ist von der Straße zu sehen, bietet aber wohl nur noch einigen Sportflugzeugen eine Heimat.


22. Mai 2013


Der zweite Rallyetag ist eher unspektaklär. Entlang der Küstenstraße geht es zum Lunch nach Rascht, der Hauptstadt der Provinz Gilan. Mit knapp 900.000 Einwohnern ist Rascht die größte Stadt am südlichen Kaspischen Meer. Aufgrund der Lage gibt es hier deutlich stärkere Niederschläge als im Rest des Landes, was zu einem üblicherweise schwülen Sommerklima führt. Durch die hohen Niederschlagswerte kann hier im Nord-Iran auch Reis angebaut werden. Den Anblick von Arbeitern in den ausgedehnten und überfluteten Reisfeldern haben wir so auch nicht erwartet, als wir uns Gedanken gemacht haben, was uns im Iran denn so erwartet.


Übrigens - der Name der Rallye „Tehran to Gilmaz“ leitet sich von den Provinzen Gilan und Mazandaran (Ramsar ist die Hauptstadt dieser Provinz) ab.


Blick auf den Lahijan Lake

Auf dem Weg zum Mittagessen machen wir einen Stop in Lahijan, einer 90.000 Einwohner-Stadt, die inmitten von ausgedehnten Teeplantagen liegt. Tee wurde erst um 1900 aus Indien in den Iran eingeführt und ist seither hier zur Tradition geworden. Der frische „Lahijan Spring Tea“ ist von besonders guter Qualität und so findet sich in unserem Gepäck auch bald 1 kg iranischer Tee. An der Basisstation der kleinen Seilbahn, die auf den Sheitan Kuh (Teufelsberg) führt, haben sich zahlreiche Teebuden breit gemacht. Alle illegal, wie wir erfahren, aber trotzdem sehr nett. Wir machen es uns auf einem der mit Teppichen ausgelegten Sitzpodesten bequem und genießen den Ausblick bei ein paar Gläsern Lahijan Chai und einer leckeren Honigmelone, die deutlich süßer ist als ihre in Deutschland erhältlichen Artgenossen.

In Rascht angekommen muss ich gleich mehrere TV-Interviews geben und werde außerdem noch von einem Mitglied des Parlaments begrüßt. Der Mann, scheinbar ein beliebter und geschätzter Politiker hier in der Provinz, sitzt im Rollstuhl und heißt uns herzlich ins einer Heimat willkommen. Er versichert sich, dass es uns gut geht und an nichts fehlt. Außerdem bietet er seine Hilfe an, sollten wir irgend etwas vermissen oder brauchen. Was will man mehr.

Als die Rallye wieder aufbricht haben sich zahlreiche Zuschauer an der Straße versammelt und sind fasziniert von dem seltenen Anblick der klassischen Fahrzeuge. Einen kleinen Eindruck der Situation bekommt man hier in diesem Video. Wir verlassen die Stadt in einem Pulk von Camaros – ein seltsamer Anblick angesichts von Moscheen und Plakaten, von denen der schon 1989 verstorbene Revolutionsführer Ayatollah Khomeini und sein Nachfolger, der Oberste Rechtsgelehrte Imam Sayyed Ali Chamenei auf die Straße herunter blicken.



Der Rallyetross bewegt sich nun auf der gleichen Strecke wieder zurück nach Ramsar. Wir halten unterwegs an einer Bäckerei und kaufen einige Süßigkeiten. Der Iraner liebt Süßigkeiten und dementsprechend vielfältig ist das Angebot.


Wieder zurück im Hotel in Ramsar spielt sich der Abend überwiegend in der Lobby ab. Dort ist WLAN-Empfang (seeeeehhhhhr langsam, aber immerhin) und Zeit, Benzin zu reden. Ich unterhalte mich unter anderem mit einer sehr bemerkenswerten Frau. Sie ist nicht nur nett, klug und gutaussehend – sie ist vor allem Rennfahrerin. Eine Konstellation, die so außergewöhnlich ist, dass ich mit ihr ein Interview vereinbare, wenn wir wieder zurück in Teheran sind.


23. Mai 2013

Der Start am nächsten Morgen ist für 8 Uhr angekündigt. Zum Glück hat man uns hinter vorgehaltener Hand gesagt, dass eigentlich 9 Uhr oder gar 9:30 Uhr gemeint sind, aber die Teilnehmer, da sie Iraner sind, gerne etwas verspätet aufschlagen. Daher gibt man als Startzeit vorsichtshalber mal 8 Uhr an, um sicherzustellen, dass es um halb 10 wirklich losgeht. Tatsächlich müssen um 9:20 noch einige Teilnehmer telefonisch aus dem Bett geklingelt werden.

Zunächst führt die Strecke wieder die Uferstraße entlang, die bereits gestern gefahren wurde. Nach einigen Kilometern biet die Route dann jedoch links Richtung Süden ab und erklimmt wieder das Gebirge. Auf Nebenstrassen werden wir kräftig durchgeschüttelt. So gut die Hauptstraßen eigentlich sind, so schlecht sind teilweise die Nebenstraßen. Wobei es besonders tückisch ist, dass auf ein paar ordentliche Kilometer unvermittelt Kraterlandschaften folgen. Zudem sind in unregelmäßigen Abständen Schwellen eingebaut, um den Verkehr herab zu bremsen. Übersieht man eine, kracht es gewaltig im Fahrwerk.



Bald ist ein Stausee erreicht, umsäumt von zwei bis drei Dutzend Windrädern zur Stromerzeugung. Kurz vorher hat die Farbe der Landschaft von grün (Tee, Reis, Bäume etc.) zu beige-braun (Wüste, Sand, Felsen, Geröll) gewechselt. Der Stausee in der wüstenartigen Landschaft mit den Bergen rundherum erinnert mich stark an den Lake Mead unweit von Las Vegas.

Am Ufer des Sees machen wir eine Mittagspause und verzehren die von der Rallyeorganisation mitgegebenen Lunchpakete (Hamburger, gar nicht mal schlecht!) und eine Wassermelone. Daniel Bernbeck ist heute bei uns mit in der Gruppe, da sich unsere Kinder gleich angefreundet haben und nun natürlich zusammen fahren möchten.

Bald werden die Straßen wieder breiter und wir bewegen uns in südlicher Richtung auf Teheran zu. Die letzten Kilometer nutzen wir wieder die Autobahn und stehen prompt im Stau. Das Ziel der Rallye ist am Eingang zu einem großen Sportgelände, in dem sich auch eine kleine Rennstrecke befindet, die den hiesigen Motorsportfreunden als Trainingsgelände zur Verfügung steht. Leider findet keine Sonderprüfung auf der Strecke statt. Vermutlich ist das organisatorisch nicht zu stemmen, denn im Gegensatz zu Europa fahren hier die Veranstalter selbst ebenfalls bei der Rallye mit. Dementsprechend sind sie vor Pannen und Verzögerungen ebenso wenig geschützt wie die anderen Teilnehmer. Es möchte sich hier eben keiner die Gelegenheit entgehen lassen, mit seinem Old- oder Youngtimer einmal aus der Stadt heraus zu kommen. Somit findet an diesem Abend logischerweise auch keine Siegerehrung oder sonstige Abendveranstaltung statt. Die Teilnehmer unterhalten sich noch ein wenig miteinander und schließlich tritt jeder für sich die Heimfahrt an und die ganze Angelegenheit löst sich einfach auf. Die Siegerehrung findet am darauffolgenden Wochenende statt und bietet so einen erneuten Anlass, sich zu treffen.



Der 435 m hohe Milad Tower in Teheran, der sechsthöchste Fernsehturm der Welt und auf Platz 19 der welthöchsten Bauwerke

Da auch Ramin mit seinem Motion-Baldwin Camaro wegen eines undichten Wasserschlauches liegen geblieben ist, fahren wir mit Daniel zu ihm nach Hause, um den Kindern noch etwas Gelegenheit zum spielen zu geben. Auf der Terasse erzählt er aus seiner unerschöpflichen Erfahrung, die er im Lauf seines Lebens im Iran gesammelt hat. Sein Vater war der evangelische Pfarrer in Teheran und Daniel ist praktisch hier aufgewachsen. Selbstverständlich spricht er fast muttersprachlich Farsi und kennt die iranische Gesellschaft samt ihrer Eigenheiten in- und auswendig. Immer mehr verwundert es uns, wie wenig man in Deutschland über dieses Land und seine Kultur weiß.

Die Idee des Abends ist, eine Pizza essen zu gehen. Hassan macht angeblich die beste Pizza im Iran und gleich nebenan ist eine Eisdiele. Nichts wie los also. Daniels 7-Sitzer reicht genau aus und in einer halben Stunde ist das Ziel erreicht. Der Verkehr scheint auch in der Nacht kaum nachzulassen und zahlreiche Baustellen vergrößern das Chaos noch. Die Eisdiele ist gerammelt voll, der Andrang schier unglaublich. Daniel kennt die deutsche Frau des Eisdielenbesitzers und so ergattern wir schließlich alle einen Sitzplatz. Hassan liefert die Pizza in die Eisdiele und tatsächlich – sie schmeckt tadellos. Wie in Italien. Und auch das "original italienische" Eis, das wir uns als Dessert genehmigen, lässt keinerlei Wünsche offen. Praktischerweise sind die Schildchen, mit denen die verschiedenen Eissorten gekennzeichnet sind, aus Deutschland, was uns die Auswahl sehr erleichtert.

Die Kinder schlafen praktisch schon im stehen, als uns Daniel zum Hotel bringt. Der Verkehr hat eher noch zugenommen, da ab einer bestimmten Uhrzeit abends auch LKW ins Stadtgebiet fahren dürfen. Somit sind die Straßen voll mit Baustellenlastern und Lieferfahrzeugen. Wir hören noch, dass auch Ramin, seines Zeichens verantwortlicher Veranstalter der Rallye, schließlich gegen 23:00 Uhr im Ziel gelandet ist, nachdem seine Panne behoben und ein anderer Teilnehmer abgeschleppt wurde.


24. Mai 2013

Um 9:00 Uhr werden wir vom Hotel abgeholt und fahren zunächst in die Tiefgarage eines unserer neuen Freunde. Er hat ein paar Blocks weiter ein sehr repräsentatives Bürogebäude, dessen Tiefgarage mit 100 Plätzen durchaus auch repräsentativ ist. In der untersten Etage ist das letzte Stück abgeteilt. Dahinter verbirgt sich eine Werkstatt, in der gerade ein Ford Mustang, ein 190 SL und ein 220er Mercedes, der schon weit über eine Million Kilometer hinter sich hat, restauriert werden. Außerdem parkt hier der braune Maserati Khamsin, der auch bei der Rallye dabei war.



Ein weiteres Highlight der Tiefgarage ist ein Dodge Daytona, der hier – ohne seinen beeindruckenden Heckspoiler – auf seine Restaurierung wartet. Der Flügel ist allerdings bereits gerichtet und wartet, fein säuberlich in Kartons verpackt, ebenfalls auf seinen erneuten Einsatz.


Vorübergehend flügelloser Dodge Daytona


Nachdem die Tiefgarage eingehend inspiziert und genug Benzin geredet wurde, machen wir uns auf den Weg nach Isfahan, ca. 450 km südlich von Teheran im Zentrum des Landes gelegen. Unser Gepäck ist bereits wieder auf dem Dach befestigt und so aufgepackt rauscht unser Taxi über die Autobahn. Die Landschaft sieht der Mojave-Wüste zwischen Los Angeles und Las Vegas täuschend ähnlich. Würde man hier unvermittelt auswachen – man müsste auf die Kennzeichen der Autos schauen, um festzustellen, wo man ist. Unser Fahrer macht uns darauf aufmerksam, dass wir auf die eine Seite nicht fotografieren dürfen, weil sich dort Überlandstromleitungen befinden. Mir ist zwar rätselhaft, was man dabei ausspähen könnte – ist doch in Google Earth mehr zu sehen als ich je auf ein Foto bringen könnte – aber ich respektiere natürlich die geltenden Vorschriften.



In Isfahan empfängt uns Ali, der „Chef“ der Isfahan Cafe Racers und Manager des hiesigen Classic Car Committees. Ali besitzt zwei Modegeschäfte in Isfahan und zudem 13 Autos. Wir treffen ihn im Abbasi Hotel, das als bestes Hotel im Iran gilt. Tatsächlich ist die ehemalige Karawanserei aus der Zeit der Safawiden (17. Jahrhundert) ein Juwel. Der quadratische Innenhof beherbergt einen herrlich angelegten Garten samt Café (und WLAN!). An das Geviert des Bauwerkes schließt nördlich ein langgestreckter Bazar an, in dem schon damals Waren verkauft wurden, die von den Karawanen über die südliche Seidenstraße herbeigebracht wurden. 1957 wurde das Gebäude auf Anraten des damaligen Direktors der Iranian Archeological Service, Andre Godard restauriert und zu einem Hotel umgebaut, das heute einer iranischen Versicherungsgesellschaft gehört. Die Verzierungen der Lobby und der angrenzenden, öffentlichen Räumlichkeiten erinnert an die Paläste Rajasthans. Spiegelmosaike und buntes Glas schaffen auch hier ein herrschaftliches Ambiente.

Ali bietet uns noch eine nächtliche Rundfahrt durch seine Heimatstadt, die über jede Menge gepflegter Parks und einige sehenswerte Brücken verfügt. Die bekannteste ist die Si-o-se Pol, die 33-Bogen-Brücke, die wunderschön beleuchtet den Zayandeh Rud überspannt. Wir bekommen sogar noch eine iranische Spezialität: Bastani Akbar Mashti – ein zäh-cremiges Safran-Eis, das wunderbar schmeckt. Seine eigenartig zähe Konsistenz verdankt das Eis einem salaab genannten Pulver (türkisch: Salep). Man lernt nie aus und wir hoffen, noch einmal eine Gelegenheit zu haben, dieses leckere Safran-Eis zu probieren.

Yum!


Abschließend lädt uns Ali noch zu einer „Party“ bei seinen Schwiegereltern ein. Eigentlich  weniger Party, vielmehr ein Zusammentreffen der Verwandtschaft, das in 2-Wochen-Abständen bei abwechselnden Gastgebern abgehalten wird. So kommt jeder einmal dran und die Familie trifft sich regelmäßig. Wie überall fällt uns auch hier auf, dass in einer iranischen Wohnung scheinbar viel zu viele Sitzgelegenheiten vorgehalten werden. Angesichts solcher Familientreffen relativiert sich das aber. Im privaten Rahmen ist auch keine Rede von Kopftuch und Mänteln. Vielmehr sind die jungen Frauen modern und modisch gekleidet und tragen „Hausschuhe“ mit sehr hohen Absätzen. Ein anwesender älterer Herr erzählt, dass er mich (und auch Ali's Vater) gestern im Fernsehen gesehen hat - anscheinend wurde eines der Interviews im ganzen Land ausgestrahlt. Plötzlich sind Kirchenglocken zu hören. Erstaunt fragen wir nach und erfahren, dass es in Isfahan seit jeher eine große (und sehr geachtete) Gemeinde armenischer Christen gibt.


25. Mai 2013

Endlich mal etwas länger schlafen. Nach fünf vollgepackten Tagen ist es auch mal schön, erst um 10:30 aufzubrechen. Wir bekommen gerade noch unser Frühstück, bevor alles weggeräumt wird. Als erstes geht es zum Imam-Platz (früher King’s Square, ursprünglich Naqsch-e Dschahan – "Abbild der Welt"). Der rechteckige, offene Platz, erbaut von 1590 bis 1595 durch König Abbas I ist mit 560 x 160 Metern und somit fast 9 Hektar Fläche noch heute einer der größten öffentlichen Plätze der Welt. Ein Grund für diese Größe war des Bauherrn Leidenschaft für das Polospiel, denn der Platz beherbergte unter anderem auch ein ca. 275 x 180 m großes Polofeld. Und das, wie gesagt, vor weit über 400 Jahren!

Blick in Richtung Süden auf die Königsmoschee

Umgeben von doppelstöckigen Arkaden und mehreren bedeutenden Gebäuden begründete dieser Platz alsbald den sagenhaften Ruf Isfahans, der heute noch mitschwingt, wenn man den Namen dieser orientalischen Stadt hört. Die armenischen Christen waren bekannt als Händler und Handwerker und so dauerte es nicht lange, bis ein reiches Zentrum des Handels zwischen Orient und Okzident entstand. Genau hier verlief die südliche Route der Seidenstraße und so wundert es auch nicht, dass Küche und Kultur von der Türkei bis ins nördliche Indien so viele Ähnlichkeiten ausweisen. Der Ruf Isfahans als "schönste Stadt der Welt" kommt sicher auch daher, dass die Stadt jedem Reisenden nach Tagen und Wochen der Entbehrungen in den umgebenden, weitläufigen Wüstengebieten wie eine Oase, wie das Paradies auf Erden vorkommen musste.

Allgegenwärtige Satteltaschen - aus Baumwolle oder Kunstfaser erhältlich. Einfach und praktisch. 


Die Nordseite des Platzes bildet den Eingang zum großen Bazar. Genau so etwas wurde von meinen beiden Damen schon lange herbeigesehnt und so tauchen wir in das Halbdunkel des Bazargewimmels ein und bleiben schon an einem der ersten Läden hängen. Im Gegensatz zum Bazar in Istanbul sieht man hier praktisch gar keine Touristen. Das Warenangebot dagegen ist teilweise sehr ähnlich. Wir lernen, dass vieles im Istanbuler Bazar offensichtlich von hier kommt. Teilweise sicher auch andersrum. Natürlich ist hier die "Teppichgewichtung" wesentlich deutlicher ausgeprägt. Leider lässt es unser Budget nicht zu, dass wir uns einen echten persischen Teppich kaufen und so haben wir schon einen guten Grund, eines Tages zurück zu kehren. Denn wenn schon Teppich, dann wenigstens selbst im Ursprungsland holen!

Bazar, voll (oben, vorher)
Bazar, leer (unten, nachher)

Nachdem der Bazar ausgiebig durchforstet und leer gekauft ist, führt uns Ali in ein bekanntes, aber ziemlich versteckt gelegenes Restaurant, das früher einmal ein Hamam (türkisches Bad) war. Das jetzige Lokal „Malek Soltan Jarchi Bashi"  ist in jüngerer Zeit wunderschön restauriert und in ein Restaurant mit einmaligem Ambiente und durchaus sehr leckerem Essen umfunktioniert worden. Wir probieren Biryani ("Isfahan Biryani"), eine regionale Spezialität und - wie das iranische Essen überhaupt - sehr lecker, aber recht schwer.




Der späte Nachmittag gestaltet sich ruhig und erst gegen Abend rücken wir wieder aus. Wir spazieren ein wenig am Fluss herum, sehen kleine Privatgärten, eher Parzellen, auf denen Privatleute ihr eigenes Gemüse anbauen. Bei manchen ist die Ernte so groß, dass sie das, was sie selbst nicht essen können, gleich direkt am Straßenrand zum Verkauf anbieten.
Am Rand der Stadt erhebt sich ein Berg, auf den eine Seilbahn führt. Von oben hat man einen herrlichen Blick auf das Lichtermeer der Stadt. Auf der „Bergstation“ befindet sich ein Café und man merkt, dass hier ein relativ unbeobachteter Fleck ist, denn einige Pärchen verbringen hier oben ungestört etwas Zeit miteinander. Wir hören, dass die Situation bei der Regierung nicht auf Begeisterung stößt, trotzdem scheint man nichts weiter dagegen zu unternehmen. Am gleichen Berg befindet sich auch noch ein gutes Restaurant, das gutes Essen und ebenfalls einen tollen Blick über die Stadt bietet. Vom Parkplatz wird man mit einem restauranteigenen Shuttlebus hochgefahren. Und obwohl wir uns schon langsam kugeln können, finden wir auch hier wieder etwas, was wir zuvor noch nie gegessen haben.


26. Mai 2013

Wir genießen noch einmal das gute und reichhaltige Buffet im reich verzierten Frühstücksraum, bevor wir mit Ali zu den "Schwingenden Minaretten" fahren. Unterwegs halten wir kurz am altem Feuertempel, einem Bauwerk aus vorislamischer Zeit auf der Spitze eines Hügels. Untersuchungen haben ergeben, dass das Bauwerk auf das 6. Jh vor Christus zurückgeht und somit aus der (wahrscheinlichen) Zeit Zarathustras, eines persischen Religionsstifters, stammt. Das Feuer hatte damals eine gottgleiche Symbolik und wurde dauerhaft auf dem Gipfel an einer dafür vorgesehenen Feuerstelle, vermutlich weithin sichtbar bewahrt.

Nur ein paar Blocks weiter erreichen wir schließlich die „Schwingenden Minarette“. Sie lassen sich von einer Person leicht in Schwingungen versetzen, die sich aufgrund einer baulichen Besonderheit – das Gebäude hat ein „Skelett“ aus Holzbalken, die Minarette sind auf diese Weise quasi verbunden – auch auf das andere Minarett überträgt. Wir meinen, dass dies lediglich eine leichte Schwingung sein kann, sehen dann aber in einem Film, dass die Minarette tatsächlich dermaßen wackeln, dass man sich wundern muss, warum sie im Lauf der Jahrhunderte nicht längst eingestürzt sind.


Am Rückweg, der erneut am Feuertempel vorbeiführt, halten wir unvermittelt an und Ali steigt aus. Kurz darauf kommt er mit vier Bechern Safran-Eis zurück. „Das beste Eis im Iran“ sagt er und er hat nicht übertrieben, wie sich herausstellt. Es wird ausschließlich von Hand hergestellt und schmeckt, gerade in Verbindung mit seiner zähen Konsistenz einzigartig.

Die letzte Sehenswürdigkeit, die wir in Isfahan besuchen, ist der Tschehel Sotun, der "Gartenpalast der 40 Säulen" aus dem Jahr 1647. Man zählt zwar nur 20 hölzerne Säulen in der großen Veranda, aber im Pool, der sich direkt vor dem Palast durch die gepflegte Gartenanlage erstreckt, spiegelt sich das gesamte Gebäude und so kommt man rein rechnerisch auf 40 Säulen.

Palast der 40 Säulen


Die Zeit in Isfahan war kurz und ist schnell vorübergegangen. Wir hatten nicht einmal Zeit, Ali’s Autos zu besichtigen, vorwiegend amerikanische Modelle. So kennen wir nur den blauen Chevrolet Bel Air, mit dem er ein paar Tage zuvor an der Rallye teilgenommen hat. Aber wir versprechen ohnehin, wieder zu kommen, denn das extrem saubere Isfahan hat uns sehr gut gefallen. Aus Zeitgründen mussten wir auch den geplanten Besuch von Schiraz und Persepolis absagen und so haben wir wirklich nicht nur einen Grund, wieder in den Iran zu reisen. Auch die alte Wüstenstadt Yast muss mehr als sehenswert sein. Und wir wissen ja nun, dass eine Reise in den Iran eigentlich ziemlich unproblematisch ist.

Der Paykan war das erfolgreichste Model von Iran Khodro, gebaut v. 1967-2005 auf Basis des Hillman Hunter


Zurück am Abbasi-Hotel verstauen wir unser Gepäck wieder auf dem Dach und machen uns auf die Rückfahrt nach Teheran, die – abgesehen von einem kleinen Sandsturm mit etwas Regen – unspektakulär abläuft. Leider findet unser Fahrer den Weg in Teheran nicht und so kommen wir mit fast zwei Stunden Verspätung dort im Hotel an. Das für heute Abend eigentlich geplante Interview mit der Rennfahrerin fällt somit aus, denn sie konnte leider nicht mehr länger auf uns warten. Wir vereinbaren daher, das Interview per eMail nachzuholen.














27. Mai 2013

Schon ist unser letzter Tag im Iran angebrochen. Heute wollen wir noch etwas von Teheran sehen. Unsere neuen Freunde Taha und Baha holen uns ab und wir fahren zum Palast des letzten Schahs, fast schon am Fuße der Berge gelegen. Leider können wir den Niavaran-Palast wegen Filmarbeiten nicht besichtigen. In einem kleinen Museum sehe ich jedoch wenigstens noch die beiden Rolls-Royce Staatskarossen sowie einige Kinderfahrzeuge der Familie von Schah Mohammad Reza Pahlavi, der hier zuletzt mit seiner dritten Ehefrau Farah Diba lebte, bis er wegen der islamischen Revolution 1979 nach Ägypten floh, wo er dann 1980 (in Kairo) verstarb.


Auch Teheran hat natürlich mehrere Bazare. Wir gehen in den Nord-Bazar, der ganz in der Nähe liegt. Vorher aber kaufen wir noch iranische Süßigkeiten in dem dafür bekanntesten Laden. Da wir zahlreiche Mitbringsel für die hiesigen Oldtimerfreunde dabei hatten, haben wir genügend Kapazitäten in unserem Reisegepäck, die wir natürlich auch ausnützen wollen. Im Bazar naschen wir frische Maulbeeren und probieren allerlei andere Köstlichkeiten, deren Namen wir uns nicht andeutungsweise merken konnten. Schließlich erstehen wir noch ein paar kleine Souvenirs und Mitbringsel, bevor es langsam ernst wird.

Nord-Bazar Teheran


Ramin hat uns heute noch zum Abendessen zu sich nach Hause eingeladen. Endlich Gelegenheit, auch seine Familie kennen zu lernen, von der wir schon viel gehört haben. Vor allem war unsere Tochter (11) sehr auf Ramin’s Töchter (10 und 12) gespannt und die Mädchen verstanden sich nach anfänglicher Scheu sehr gut. Nach dem Essen nutzen Ramin und ich die verbleibende Zeit noch aus, über Autos zu reden, während das Reisegepäck derart umgepackt wird, dass es den Gewichtsvorschriften der Airline entspricht. Gegen 23 Uhr fahren wir dann ein letztes Mal durch das nächtliche Teheran zum Flughafen.

Unser Flug nach  Frankfurt sollte um kurz nach drei Uhr morgens starten, hatte dann aber dummerweise vier Stunden Verspätung und so verbringen wir die ganze Nacht am Flughafen. Zu allem Überfluss gibt es dann an Bord zwei medizinische Notfälle. Während der erste offenbar weniger schlimm ist, führt der zweite zu einer nicht geplanten Zwischenlandung, ausgerechnet in München. Wir dürfen aber nicht aussteigen und müssen ordnungsgemäß erst weiter nach Frankfurt, um dann von dort wieder zurück nach München zu fliegen. Deutschland hat uns wieder.



Fazit:
Der Iran ist ein erstaunliches Land. Unso erstaunlicher, dass wir praktisch nichts über Land und Leute wissen, denn in den westlichen Medien findet praktisch nur ein "böser Iran" statt. Keine Rede von freundlichen und überaus höflichen Menschen. Keine Rede von gutem Essen und herzlicher Gastfreundschaft. Keine Rede von interessanten Sehenswürdigkeiten und unglaublicher Geschichte. Wir hören eigentlich nur von „irren Politikern“ und fanatischen Islamisten, von der Achse des Bösen und von Atombombenprogrammen. Ich will damit nicht sagen, dass diese Probleme nicht existieren. Auch bin ich eigentlich für strikte Trennung von Politik und Religion. Und die Bekleidungsvorschriften für Frauen erscheinen mir eher befremdlich. Das aber sind „Probleme“, die wohl das iranische Volk selbst lösen muss und mit der Zeit hoffentlich auch in seinem eigenen Sinne lösen wird. Ich sehe zumindest keinen ernsthaften Grund, warum sich der Westen derart schulmeisterlich aufspielt und meint, seine eigene „Wahrheit“ als die einzige Wahrheit jedem Land auf der Welt überstreifen zu müssen. Und zum Atomprogramm fällt mir nur ein, dass mir eine „Atommacht Iran“ irgendwie berechenbarer und sicherer erscheint, als z. B. Pakistan oder Kasachstan. Wobei – da war ich noch nicht und ich habe gelernt, dass es durchaus gefährlich ist, über ein Land und seine Bewohner zu urteilen, bevor man sich nicht selbst ein Bild davon gemacht hat. Denn auch bei uns im Westen wird ganz offenbar ebenfalls nur der Teil der Wahrheit erzählt, den unsere Regierungen für den „richtigen“ Teil halten. Aber was weiß ich schon?!

Sollte also jemand grundsätzliches Interesse am Iran und seiner Kultur haben, kann ich ihn nur dazu ermuntern, die Reise vorurteilsfrei anzutreten. Die Oldtimerfreunde zumindest ticken dort eigentlich genauso wie wir!



Nachtrag 1:
Hier geht es zur Veröffentlichung im "The Motoring Journal".
Und hier zum Artikel auf "Car Guy Chronicles".

Nachtrag 2:
Eine andere Seite macht aufmerksam: "Chris on Cars"



































Freitag, 15. März 2013

Indien

Die Indienreise beginnt im August 2012 in Kalifornien. Anlässlich des Pebble Beach Concours d'Elegance, lerne ich auf einer Presseveranstaltung zufällig einen sehr interessanten, älteren Herrn kennen, den ich dort auf sein chices, bayerisches Jackett angesprochen habe. Das darauf folgende Gespräch eröffnet mir mit der Zeit, mit wem ich es zu tun habe. Es handelt sich um den Maharana (das ist so etwas ähnliches wie ein Maharaja) von Udaipur, der seinen Rolls Royce in Pebble Beach zeigt. Das Gespräch endet nach einer guten halben Stunde damit, dass er zusagt, bei Gelegenheit gerne wieder München zu besuchen und ich im Gegenzug doch einfach mal zu ihm reisen solle, damit er mir seine Oldtimersammlung im palasteigenen Museum zeigen kann. Gesagt, geplant.



Über den Winter wurde ein wenig Kontakt aufrecht erhalten: Im königlichen Palast wurde an einer Neuauflage des Buches über den in Pebble Beach gezeigten Rolls Royce gearbeitet, die um das Kapitel der Reise nach Pebble Beach - ein Höhepunkt in jedem Autoleben - erweitert werden soll. So wurde ich um einige Fotos gebeten, die ich auf dem Golfplatz während des Concours machen konnte und die ich gerne beisteuerte.

Anfang März schließlich dachte ich, dass es höchste Zeit wäre, die Reisepläne für die Oldtimersaison 2013 mit Szeneterminen (Messen, Rallyes etc.), Schulferien, privaten Terminen und der schließlich verbleibenden Verfügbarkeit, sowie Sabine's Urlaubsplan in Einklang zu bringen. So frage ich also im fernen Udaipur an, ob und ggf. wann es genehm wäre, meinen Besuch Wirklichkeit werden zu lassen.

Die prompte Antwort lautete, warum ich nicht gleich am 22. März anreisen würde, da vom 23. bis 26. März im königlichen Palast das alljährliche Holi-Fest gefeiert wird. Bei dieser Zeremonie wird das Frühjahr und der Neubeginn des Jahres begrüßt. Das wäre ja eigentlich ganz mein Ding - als bekennender Sonnen- und Wärme-Freund, der den Winter samt Schnee und Schmuddelwetter mit zunehmendem Alter zunehmend nicht leiden kann, dem Frühling einen gebührenden Empfang zu bereiten. Besonders, nachdem ich ungefragt den dunkelsten Winter seit Ewigkeiten durchstehen musste.

Meine Zusage erfolgte also ebenso schnell, wie die spontane Einladung und so waren die letzten 2 Wochen mit Vorbereitungen gut gefüllt. Visum besorgen. Kamera nebst Ausrüstung checken und um ein paar Kleinigkeiten ergänzen. Ein wenig zeitgemäßes Reise-Equipment kaufen (Brustbeutel etc.). Und vor allem - die bevorstehende Reise noch um ein paar interessante Termine zum Thema Oldtimer ergänzen.

Der ursprüngliche Plan, die Reise ab Delhi mit einem Motorrad anzutreten und dieses am Ende mit nach Deutschland zu nehmen, wird aufgrund der knappen, verbleibenden Zeit ebenso schnell verworfen, wie die Option, einfach einen Leihwagen zu nehmen. Wie es sich herausstellt, ist ein Auto samt Fahrer die preiswerteste Variante. Und die bequemste dazu.

Ach ja, Impfungen! Heute früh also noch schnell zum Arzt, eine Spritze und ein paar Medikamente abgeholt.  Hotels habe ich auch noch nicht gebucht. Da der Reiseplan seit gestern endlich steht, werden daher heute, am Vorabend der Reise, noch ein paar vermeintlich anständige Hotels für die erste Woche über Expedia gebucht - in der Hoffnung, dass sie in der Realität wenigstens halb so gut sind, wie die Fotos suggerieren.

Dummerweise kam heute noch eine Lieferung von Ford A Ersatzteilen an, die wenigstens gesichtet und ins Lager verbracht werden musste. Da einige Kunden dringend auf Teile warten, wurden diese auch noch verpackt und abgeschickt. Um mein Reisegepäck kümmere ich mich dann also - wie immer eigentlich - am Tag der Abreise. Glücklicherweise geht der Flug nach Delhi erst gegen Abend.

15. März 2013

Wenn der Sommer nicht zu mir kommt...


16. März 2013

Schon unmittelbar nach dem Start stelle ich fest: Etwas ist anders als normalerweise! Das Flugzeug legt sich gleich in eine ausgedehnte Linkskurve. Amerika liegt da mehr rechts, wenn man so will. Es geht also wirklich Richtung Asien. Der Flug ist so erstaunlich kurz (man hat das irgendwie gar nicht so recht auf dem Plan), dass ich nicht einmal dazu komme, das Bordprogramm zu genießen. Ich schalte den Monitor nicht einmal an, denn nach dem Abendessen versuche ich wenigstens ein, zwei Stunden zu schlafen, bevor wir mit einer halben Stunde Verspätung um 08:10 im Sommer landen. Angenehme 25 Grad (und "1 km Sicht") sind schon eine andere Ansage als die 2 Grad unter Null, die mich in München vor ein paar Stunden verabschiedet haben. Der Fahrer hat vereinbarungsgemäß auf mich gewartet - ich muss sagen, das klappt hervorragend. Meine erste (Bei-) Fahrt in einem Tata, Modell Indigo VS TDI  nimmt ihren Lauf. Trotz der kompakten Abmessungen bietet die rückwärtige Sitzbank ausreichend Beinfreiheit. Allerdings ist der Beifahrersitz auch ganz nach vorne geschoben. Eine Klimaanlage ist vorhanden und arbeitet ausreichend. Die Hupe - der absolut wichtigste Ausrüstungsgegenstand, wie ich schnell merke! - tönt laut und klar und in unregelmäßigen, aber kurzen Abständen.



Ohne große Verzögerung geht es gleich zum ersten von drei Terminen. In Indien werden zahlreiche Teile nachgefertigt, die oft direkt, häufig aber auch auf Umwegen über die USA nach Deutschland gelangen.  Hier sind es vor allem Tachometer und Motorradteile. Hinter einem großen Namen verbirgt sich - wie so oft - eine herrliche Mini-Bastlerbude. Trotz des sparsamen Designs der Geschäftsräume bringen die Leute ordentliche Teile auf die Reihe.

Auf der Straße lerne ich schnell die wichtigste Verkehrsregel: Vorfahrt hat, wer vor fährt. Alle Verkehrsteilnehmer hupen, was das Zeug hält. Jede Lücke wird gnadenlos genützt. Hupen bedeutet hier weniger Warnung als vielmehr Feststellung. Nämlich "Hier fahre jetzt ich!". Erstaunlicherweise bringt das Chaos niemanden aus der Ruhe. Keiner schimpft, keiner hupt aggressiv (würde im allgemeinen Gehupe auch gar keinen Sinn mehr machen), jeder wartet nur auf seine Chance, auf seine Lücke. Eine vorfahrtberechtigte, vierspurige Straße, die aus Gründen des Platzsparens von 6 - 7 Spuren genutzt wird, scheint kein Überqueren zuzulassen. Bis ein beherzter Tuk-Tuk-Fahrer die etwas 50 cm langen Lücken zwischen zwei Autos im fahrenden Querverkehr ausnutzt, um sei einzelnes Vorderrad hineinzudrängen und so unaufhaltsam eine Bresche in den Verkehr drängelt. (Ich wusste doch, dass es einen tieferen Sinn hat, dass die Dinger vorne nur ein Rad haben!) Der Querverkehr hat verloren und "unsere" Richtung drängt ebenso vehement wie zahlreich über die Vorfahrtstraße. Jedenfalls so lange, bis dort wiederum ein beherzter Tuk-Tuk-Fahrer das Blatt zugunsten seiner Fahrtrichtung wendet. Dieser Verkehr fordert seinen Tribut - es gibt kaum ein Auto, das nicht rundherum verbeult ist. Aber eins muss man sagen: Alles fließt.



Natürlich steht auch gleich am ersten Tag ein Besuch bei einem großen Oldtimersammler auf dem Programm. Aus dem geplanten gemeinsamen Ausflug in sein noch im Bau befindlichen Privatmuseum wird zwar aus aktuellem Anlass leider nichts (wegen eines Vorfalls muss er ins einer Eigenschaft als Anwalt heute noch dringend zum italienischen Konsulat), aber er gibt meinem Fahrer eine Karte und schickt uns einfach allein auf den Weg. Ich denke, in zwei Jahren könnte das Museum tatsächlich fertig sein. Ebenso wie der Auburn hier, Teil der 56 überwiegend amerikanische Fahrzeuge umfassenden Sammlung.




17. März 2013

Ooooh, wie viel gibt es noch zu lernen, was die motorisierte Fortbewegung angeht! Es geht schon damit los, dass es Straßenkategorien gibt, von denen ich bisher nicht einmal etwas geahnt habe. Somit gibt es auch keine Wörter dafür. Eine einmalige Chance also, einen Begriff zu prägen, der vielleicht eines Tages in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen wird:

1. Die „Autobahnähnliche Schnellstraße mit geteilten, bidirektionalen Richtungsfahrbahnen“. (Herrlich. Das kann direkt vom Gesetzgeber so übernommen werden.)

2. Die „mehrspurige multidirektionale Fernstraße“, hier „innerhalb geschlossener Ortschaften“

Erstere zeichnet sich dadurch aus, dass je eigentlicher Fahrtrichtung eine zweispurige Richtungsfahrbahn zur Verfügung steht. Beide Richtungsfahrbahnen sind durch einen unüberwindlichen Trennstreifen (ggf. mit Zaun oder gemauerter Erhöhung) voneinander getrennt. Da es unzumutbar ist, einen oder gar zwei Blocks weit zu fahren, um die Richtung ordnungsgemäß zu ändern, kann auf dieser Straße ersatzweise gegen die Fahrtrichtung gefahren werden, allerdings möglichst auf der dem Straßenrand nächsten Fahrspur. Das gleiche Recht gilt auch für Transportfuhrwerke (auch mit Überbreite), die mittels vierbeiniger Zugtiere aller Art (Pferde, Esel, Maultiere, Kamele, Ochsen unterschiedlicher Gestalt etc.) bewegt werden, sowie für Handkarren. Der Bereich, der dem Trennstreifen am nächsten ist, kann auch von Fußgängern in beide Richtungen benutzt werden, denen ein gefahrloses Überwinden der Fahrbahntrennung nicht möglich erscheint. Das Problem der sog. „Geisterfahrer“ hat sich dadurch auch erledigt.

Der zweite Straßentyp entspricht im Grundsatz ungefähr einer vielbefahrenen, deutschen Bundesstraße, die gerade eine Ortschaft durchquert. Da berechtigtes Interesse der Bevölkerung anliegt, sich auf beiden Seiten der Straße zu bewegen (z. B. um zu tanken oder Einkäufe zu erledigen), kann diese überall, auch ohne entsprechende Lichtzeichenregelung beliebig in beide Richtungen, auch diagonal gegen die jeweilige Hauptfahrtrichtung, überquert werden. Somit entsteht ohne weiteres Zutun der Behörden eine Breitbandkreuzung, die sich durch den gesamten Ort erstreckt, was verwirrende Verkehrszeichen und Ampeln überflüssig macht. Um dies zu untermauern sind in gewissen Abständen Ampelanlagen installiert, die einzige den Zweck haben, ihre eigene Überflüssigkeit ständig unter Beweis zu stellen.

Ohne diesen beiden für uns fremdartig anmutenden Straßengattungen wäre der Verkehr in Indien nahezu unmöglich. Kombiniert mit der maximalen Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Verkehrsraumes durch Fahrzeuge aller Art (teilweise bis zu 125 %) und der vollständigen Ausnutzung der verfügbaren Nutzflächen eben dieser Fahrzeuge, garantieren sie einen stets fließenden Verkehr, der auch in Extremsituationen nur ganz selten zu sehr kurzen Phasen des Stillstands einzelner Verkehrsteilnehmer kommt.

Zwei Beispiele effizienter Fahrzeugnutzung:

- Wer denkt, dass ein 125 ccm-Motorrad nicht familientauglich ist, muss sich eines Besseren belehren lassen. Das durchschnittliche Motorrad wird von 3 Erwachsenen, wahlweise auch Kleinfamilien mit bis zu drei Kindern unter ca. 10 Jahren genutzt. Dabei findet ein besonders mutiges Kind Platz auf dem Tank (festhalten am Lenker möglich), ein etwas ängstlicheres bzw. größeres hinter dem Fahrer und möglichst kleines und leichtes Kind auf dem Schoß der ganz hinten und stets im Damensitz beifahrenden Mutter.

- Das (nicht nur) in Indien allseits beliebte, dreirädrige Tuk-Tuk – übrigens alle umweltschonend mit Gasbetrieb – sieht nur auf den ersten Blick so aus, als wäre es für einen Fahrer und zwei Fahrgäste gebaut. Vielmehr finden auf der Sitzbank bis zu vier Erwachsene (ok, schlanke Erwachsene, aber Erwachsene!) Platz. Die schmale Trennwand zwischen Fahrer und Fahrgastraum ist oben mit einem ca. 15-20 cm breiten Brett ausgeführt, das, entsprechend sparsam bepolstert, ebenfalls bis zu 4 Personen aufnehmen kann. Der schmale Platz hinter der hinteren Sitzbank, vermeintlich für 2 Gepäckstücke vorgesehen, nimmt ebenfalls ersatzweise bis zu vier Erwachsene auf, die gleichzeitig den rückwärtigen Verkehr im Auge behalten können. Da diese Fuhre nun unweigerlich nach hinten umkippen würde, finden auf der vorderen Fahrersitzbank (die bauartbedingt etwas schmäler ausfällt) drei Fahrgäste als Gegengewicht Verwendung.  Der Fahrer sitzt in diesem Fall auf dem Schoß eines oder auch zweier Fahrgäste. Somit können 16 (!) Personen transportiert werden. Und das auf einer Grundfläche von vielleicht 4 Quadratmetern. Gut, bei 16 ist der Fahrer mitgezählt, also eigentlich nur 15. Aber immerhin!



Die gut 125 %ige Ausnutzung der Verkehrsfläche wird unter anderem dadurch erreicht, dass zwei Fahrspuren i. d. R. von 3 Fahrzeugen nebeneinander benutzt werden. Außerdem kann der Raum unterhalb des hoch bauenden hinteren Überhanges großer und einigermaßen schnell fahrender LKW kurzfristig als Ausweichzone für die Motorhaube eines PKW benutzt werden, sollte doch einmal unvorhergesehenerweise etwas eng werden. Bei diesen Manövern hat der Fahrer des PKW die hintere Ladekante des vorausfahrenden LKW stets bequem im Auge (buchstäblich), da sie sich gut sichtbar nur etwa 20 cm vor der Windschutzscheibe befindet. Vom Einsatz des Scheibenwischers ist dann jedoch aus Platzgründen abzusehen.

Die Fahrt von Faridabad nach Agra lässt sich also mit einem knapp „vierstündigen Beinahezusammenstoß“ am besten beschreiben. Der Beinahezusammenstoß ist eigentlich eine chronische Form des Daseins als Verkehrsteilnehmer in Indien. So wie man bei uns fährt, stößt man hier eben ständig beinahe zusammen. Jedenfalls im Berufsverkehr. Da dies aber eine über einen langen Zeitraum gleichbleibend bestehende Situation ist, fällt es auch nicht weiter unangenehm auf. Und ich muss zugeben – es hat richtig Spaß gemacht. Jawohl. Ich liebe ja den flüssigen Fahrstil und es hat mich zeitweise echt gejuckt, selbst ans Steuer zu gehen. Da ich aber stets ein gutes Gefühl hatte, was meinen dynamischen Fahrer angeht, habe ich die Fahrt (ohne Gurt – aber der hätte beim fotografieren aus dem Fenster eh nur gestört) auf der Rücksitzbank genossen und konnte zeitweise ein Grinsen nicht unterdrücken. Das geht mir eigentlich selten so als Beifahrer.


In Faridabad habe ich übrigens zwei ebenso nette wie interessante Menschen getroffen, die sich schwerpunktmäßig um Oldtimer-Motorräder und deren Restaurierung kümmern. Und das auf einem unerwartet hohem Niveau, das jedem internationalen Vergleich standhält. Man wird sehen, ob sich das in Zukunft in spürbarer Weise auswirkt, erste gemeinsame Ideen sind schon geboren worden.

Neben all diesen eher fahrzeuglastigen Erlebnisses hatte der heutige Tag aber auch einen bemerkenswerten religiösen Aspekt: Vormittags hatte ich die Gelegenheit, den Lotustempel zu besuchen. Dieses Bauwerk zieht mehr Menschen an als das Taj Mahal (!).  Es ist ein Tempel der Glaubensgemeinschaft der Bahais (die ihre Wurzeln im heutigen Iran sehen), der übergreifend allen Religionen zur Verfügung steht als ein Ort des Glaubens, als „house of worship“. Angesichts der heute auf der Welt wütenden Glaubenskriege eine außergewöhnliche Situation, wenn man hier als Angehöriger des Christentums in einer Menschenmenge dem Tempeleingang zustrebt: Vor mir eine moslemische Familie mit streng verschleierten Frauen und eine Gruppe orange gewandeter buddhistischer Mönche. Dazwischen Hindus, deren Frauen in bunte, häufig bauchfreie Saris gehüllt sind. Außerdem eine Reisegruppe aus Israel deren Reiseleiter die Ansage eines Ordners ins hebräische übersetzt. In dieser Mischung stehen also ungefähr 40 bis 50 Personen und warten auf Einlass. Es wird gelacht, alle sind fröhlich und gut gelaunt. Im Inneren schließlich setzen sich alle auf die „Kirchenbänke“ und hängen ihren Gedanken und Gebet nach. Israelis und Araber weniger als 10 m voneinander entfernt und sich der Anwesenheit der jeweils anderen durchaus bewusst. Ich muss sagen, das ist irgendwie beeindruckend. Mir kommt unweigerlich das Motto „All is One“ in den Sinn – ich glaube, das steht im Hard Rock Cafe in London and der Wand.





Eine dazu passende, kleine Anekdote entsteht im Haus des Motorradrestaurieres, der mir stolz seine Sammlung alter Uhren, Ventilatoren und sonstiger mechanischer Gerätschaften zeigt. Dabei lenkt er die Aufmerksamkeit auch auf ein hölzernes Windrad, dessen Funktion er mir unter Zuhilfenahme eines knapp 100 Jahre alten Ventilators demonstriert. Er erzählt dabei, dass er gelernter Zimmermann ist und daher auch gerne mit Holz arbeitet. Er weist dabei auf eine Christusfigur hin. Das hölzerne Kreuz ist unübersehbar an prominenter Stelle im Eingangsbereich des Hauses angebracht. „Jesus war auch Zimmermann. Er ist also ‚aus der gleichen Familie’ und deswegen hängt das Kreuz hier, obwohl ich Sikh bin.“

Alles ist Eins. Und alles fließt.




18. März 2013

05:30 Uhr, der Wecker klingelt. Um 6:00 Uhr ist Abfahrt zum Taj Mahal, das bei Sonnenauf- und –untergang am besten wirkt. Pünktlich um 7:30 stehe ich dank eines einheimischen Führers praktisch ganz vorne in der Reihe. So ein Führer kostet zwar 300 Rupies, also knapp 5 Euro und noch einmal 200 Trinkgeld, ist aber letztlich sein Geld wert. Nicht nur, dass er einen Platzhalter ganz vorne in der Schlange am Eingang installiert hat, er weiß auch genau, wo es lang geht. So gelingen zahlreiche Aufnahmen noch bevor die allgemeine Menschenmenge von diesem unglaublichen Bauwerk Besitz nimmt.




Nach dem Frühstück inspiziere ich noch die örtliche Royal Enfield-Werkstätte. Man weiß ja nie, ob man nicht eines Tages mit einem ebensolchen Fahrzeug hierher kommt. Interessant ist nicht nur die Art, wie hier gearbeitet wird. Auch die Entsorgungsfrage von Problemabfällen ist virtuos gelöst. Denn auch hier gilt: Alles fließt. (In diesem Fall direkt in den Rinnstein.). Ab sofort heißt Royal Enfield bei mir „Royal Oilfield“.





Einer meiner neuen „Motorrad-Freunde“ hat mir empfohlen, auf dem Weg unbedingt Fatehpur Sikri zu besichtigen, weil da aus unerklärlichen Gründen der größte Teil der Touristen vorbei fährt. Diese bemerkenswerte Sehenswürdigkeit liegt etwa 40 km außerhalb von Agra auf dem Weg nach Jaipur. Der einzige Grund, den ich mir vorstellen kann, wäre die Ablenkung durch das „übermächtige“ Taj Mahal. Tatsächlich ist Fatehpur Sikri einen ausgedehnten Besuch wert. Besonders bemerkenswert ist auch hier eine eher religiöse Geschichte: Der Bauherr, Kaiser Akbar war mit 3 Frauen verheiratet: Eine war islamischen Glaubens, eine Hinduistisch und eine christlich. Und es hat funktioniert. Jede der Damen hatt ihren eigenen Wohnbereich. Der moslemische war mit Abstand der kleinste, dafür aber reich verziert. Die Christin hatte dagegen ordentlich große Gemächer und die hinduistische Dame, eine Prinzessin aus Rajasthan, hatte einen eignen Palast innerhalb des Palastes. Das wirklich Außergewöhnliche daran ist jedoch, dass alle drei Wohnbereiche mit ornamentaler Symbolik jeweils aller drei Glaubensrichtungen geschmückt waren. Alle drei Bereiche waren mit jeweils einem eigenen überdachten Gang mit dem Schlafgemach des Kaisers verbunden. Der Kaiser war also ein sehr liberaler Mensch, wie mir scheint. Trotz dieser praktischen Einrichtung wurde Fatehpur Sikri nur knapp 16 Jahre lang bewohnt. Vermutlich wegen Wassermangel musste die Anlage aufgegeben werden.















Nach Delhi (über 16 Mio) und Agra (knapp 2 Mio) ist Jaipur mit über 3 Mio Einwohnern die dritte Millionenstadt in drei Tagen. Dementsprechend ist natürlich auch der Verkehr. Erste Anlaufstelle ist das Hotel, da es schon längst dunkel ist, als wir die Stadt erreichen.



Erst jetzt fällt mir auf, dass es allgemeiner Standard ist, mit Fernlicht zu fahren. Dementsprechend ist es auch recht hell auf der Straße und so haben auch die gänzlich unbeleuchteten (Fahrräder, Fußgänger, Ochsen-/Pferde-/Kamelkarren, Lastenräder, Fahrradrikschas etc.) eine halbwegs faire Chance, noch rechtzeitig gesehen zu werden. Wenn nicht gerade der Gegenverkehr blendet. Sicherheitshalber wird daher zusätzlich zur Hupe allerseits die Lichthupe verwendet. Somit erklärt sich auch die Aufforderung „use dipper at night“ unter der ich mir bisher nicht viel vorstellen konnte – es ist die nächtliche Entsprechung/Ergänzung der Aufforderung „Blow Horn“ , die ebenfalls an das Heck fast aller motorbetriebenen Nutzfahrzeuge gepinselt ist. Der Stadtteil, in dem mein Fahrer beginnt, nach der Hoteladresse Ausschau zu halten, macht keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Vielmehr geht es extrem chaotisch zu. Allerdings habe ich mich schon etwas ans Chaos gewöhnt und warte erst mal ab, bevor ich mich ob der zu erwartenden Qualität meiner Herberge beunruhige. Und wirklich, in einer Nebenstraße wird es ruhiger und das Hotel entpuppt sich als kleine Oase inmitten des Getümmels.

19. März 2013

Der Tag in Jaipur beginnt zunächst mit einem touristischen Pflichtbesuch beim sagenhaften und weltbekannten Palast der Winde inmitten der Pink City. Der gesamte Altstadtbereich ist in ein gleichmäßiges, wenn auch größtenteils eher schmutziges Lachsrosa getaucht, die „color of welcome“, wie mein Fahrer Yogi betont. Zum Glück sind wir früh dran, denn kaum habe ich meine Fotos im Kasten, halten 5 oder 6 Tourbusse beinahe gleichzeitig und ein Strom Touristen ergießt sich auf die ohnehin recht enge Straße, die am Palast der Winde vorbei führt. Überhaupt würde dieses fünfstöckige Filigranbauwerk wesentlich besser wirken, stünde es etwas erhabener an einem weiträumigen Platz, anstatt in der eng bebauten Straße. Man hat beinahe Schwierigkeiten, die Fassade halbwegs auf dem Foto unterzubringen. Dummerweise ist sie auch noch eingerüstet, wie anscheinend die meisten Sehenswürdigkeiten der Welt, wenn ich davor stehe (ich glaube, das folgt dem gleichen Gesetz, wie die Schlange an der Kasse, die ja auch immer die langsamste ist!). Andererseits bietet das „Gerüst der Winde“ die Gelegenheit, asiatische Bambusgerüstbaukunst aus der Nähe zu bewundern, die gänzlich ohne Schrauben oder Nägel auskommt.




Wie auf Kommando bewirkt der plötzlich einsetzende Touristenstrom ein ebenso plötzliches Einsetzen der Aktivitäten anwesender Souvenirverkäufer, sowie das lärmende Auftauchen zweier Schlangenbeschwörer, die vor zwei vollkommen gelangweilten (sedierten?) Kobras hektisch in ihre Blasinstrumente pusten. Zeit für mich zu gehen.

Dieses Diesel-TukTuk hat es hinter sich und löst sich langsam auf

Wer sagt dass man Stahlträger nicht mit dem Fahrrad transportieren kann?

Das Amber Fort wartet. Dort wird der Tourist per Elefant einen knappen Kilometer bergan transportiert. Yogi, mein Fahrer, warnt mich vor den völlig überteuerten 900 Rupies, die dieses kurze Vergnügen kostet. Die beachtliche Warteschlange am Elefanten-Terminal macht mir den Verzicht leicht. Ein paar Minuten der Beobachtung, wie sich einige Touristen aufgrund ihres sehr deutlichen Übergewichtes ungelenk auf den Rücken ihrer Artgenossen Reittiere quälen, entschädigt dafür vollständig. Derart erheitert ist der kurze Aufstieg vom nächstgelegenen Parkplatz zum Fort ein Kinderspiel. In dessen herrlichem Hof bietet sich ein kurzweiliges Schauspiel, das aus dem farbenfrohen Gewimmel von Souvenirverkäufern, Reiseleitern mit bunten Schirmchen, Touristen, geschmückten Elefanten und passender Livemusik an Exotik kaum zu überbieten ist. Auch das Fort, eigentlich eher ein befestigter Palast, ist sehr interessant und aus der geplanten Stunde sind im Nu zwei geworden.




Nachdem die Reifen der wartenden Jeeps inspiziert sind, die durchaus nicht unseren Zulassungsvorschriften entsprechen, bin ich doch froh, dass „mein“ Tata oben parkt. Touristen werden nämlich auch mit ebendiesen Jeeps heraufgebracht, wenn der obere Parkplatz voll ist oder die Elefanten nachmittags nicht mehr arbeiten (nach einem entsprechenden Vorfall – einem der hierzulande üblichen Beinaheunfällen – hat die Elefantengewerkschaft den Einsatz der Tiere auf drei Runden á 2 Touristen pro Tag begrenzt).


Auf geht’s zum ersten von drei Oldtimersammlern, deren Adresse ich habe und die freundlicherweise bereit sind, mir Ihre Schätze zu zeigen. Der erste ist allerdings kurzfristig verhindert, was ihn nicht davon abhält, telefonisch alles zu organisieren, damit ich die Autos trotzdem zu sehen bekomme. Telefonisch werden wir in die nähere Umgebung des Sammlerdomizils dirigiert, dann holt uns dort jemand ab und geleitet und den letzten Kilometer. Der 10jährige Enkel nimmt mich in Empfang und führt mir stolz und in sehr gutem englisch wenigstens die Oldtimer seines Opas vor, die hier zuhause stehen und nicht gerade in der Werkstatt sind.


Weiter geht es zum örtlichen Audi-Händler (Audi Jaipur – gibt es wirklich!), der gleichzeitig Präsident des „Rajputana Automotive Sports Car Clubs“ ist. Dieser Club veranstaltet einmal im Jahr eine Rallye, die zwar nur ca. 50 km lang ist (das ist wohl den schlechten Straßen und der Hitze geschuldet), aber dafür umso ernsthafter zelebriert wird. Alles, was in und um Jaipur einen Namen hat, nimmt daran teil – vom örtlichen Maharaja bis hin zu Regierungsvertretern und Sammlern aus Delhi, Jodhpur und Udaipur. Den diesjährigen Termin habe ich leider um 2 Wochen verpasst, was den Präsidenten sofort veranlasst, mich für das kommende Jahr einzuladen. Es kommen nämlich, wie er stolz erzählt, über 100 Oldtimer zu dieser Veranstaltung – eine Größenordnung, die ich hier nicht erwartet hätte.

Mein dritter Termin ist verkehrsbedingt etwas verspätet und hat, um mir die Zeit adäquat zu vertreiben, kurzerhand einen vierten Termin für mich organisiert. So lande ich unerwartet auf dem Hof eines sympathischen jungen Mannes, der sich darauf spezialisiert hat, Willys Jeeps und Ford GPW’s zu restaurieren – eine Leidenschaft, die er von seinem Vater geerbt hat. Auch hier bin ich von der Qualität der Arbeit in der überdachten Freiluft-Werkstatt (!!!) positiv überrascht und werde spontan zum Jeep-Fan. Der Gedanke ans heimische Wetter (mein letzter Stand +2 Grad, also etwa 35 Grad weniger als hier) hält mich aber doch davon ab, sofort eine Bestellung aufzugeben.


Mittlerweile ist auch mein dritter Termin aufgetaucht. Im Gespräch stellt sich langsam heraus, dass er Angehöriger einer „royal family“ ist und somit gesellschaftlich ganz weit oben steht. Unter anderem ist er stolzer Besitzer des einzigen Daimler Dart in Indien. Er erklärt mir, dass bei den „Royals“ und „Nobles“ in Indien immer drei Themen von besonderem Interesse waren: Autos, Waffen (wg. der Tigerjagd) und teure Uhren. Bei ihm waren es dagegen immer schon Autos, Autos und Autos. Und ein paar Motorräder. Hauptberuflich ist er heute Besitzer und Betreiber des luxuriösen Hotels „The Hadoti Palace“ in Bundi, 200 km südlich von Jaipur, auf dessen Hausbroschüre natürlich zwei seiner Lieblinge abgebildet sind.


Kurzerhand macht er mir noch einen weiteren Termin bei einem Sammler für morgen Vormittag aus und ruft außerdem noch zwei Sammler in Jodhpur, der nächsten Station meiner Reise, an. Mal sehen, ob das auch noch klappt.

Wieder zurück im Hotel verspüre ich den Drang, das Chaos zwei Straßen weiter noch etwas genauer zu inspizieren. Ein kurzer Spaziergang (möglichst ohne die Orientierung zu verlieren!) und ich befinde mich inmitten eines umtriebigen Busbahnhofs. Von den hier wartenden, ankommenden und abfahrenden Bussen – vielleicht ca. 100 an der Zahl – ist nicht ein einziger auch nur annähernd in einem Zustand, der eine erfolgreiche HU in Deutschland zur Folge hätte. Am Ticketschalter kann man dementsprechend zwischen Tickets für „Deluxe„ oder wahlweise „Super-Deluxe“ Busse wählen. Während ich weiter vergeblich nach diesen „Luxusgefährten“ Ausschau halte, muss ich gleichzeitig aufpassen, nicht über einen auf dem Boden schlafenden Wartenden zu stolpern, nicht von einem überladenen Kofferträger gerammt zu werden sowie keinen Koffer auf den Kopf zu bekommen, der gerade einem der Fahrer beim Verladen auf dem Dach des Busses aus der Hand rutscht und aus 3 m Höhe herunterkommt. Trotz aufwändiger Suche finde ich am Ende weder „Deluxe“ noch „Super-Deluxe“ Busse. Eines aber entdecke ich: Die Rotel-Tours-Busse sind keineswegs die Erfindung eines findigen Niederbayern. Solche Busse hat es hier schon lange vorher gegeben. Mindestens acht Busunternehmen betreiben hier Busse nach dem gleichen Prinzip (genauso viele Betten an Bord wie Sitzplätze) im innerindischen Fernverkehr und alle Busse, die ich gesehen haben, haben vermutlich schon lange vor der Gründung von Rotel-Tours deutliche Gebrauchsspuren gezeigt. Außerdem haben alle diese Busse einen eigenen kleinen Tempel samt Räucherstäbchen vorne auf dem zentralen Armaturenbrett – da kann Rotel-Tours definitiv nicht mithalten. Man muss aber sagen, das die Rotel-Busse dafür in allen anderen Aspekten durchwegs ganz weit vorne liegen.

20. März 2013

Nach einem ausgedehnten Morgenspaziergang durch die im wahrsten Sinn des Wortes aufwachende Pink City, treffe ich den größten Juwelier Jaipurs, der mir von seinen Problemen bei der Ersatzteilbesorgung für seine beiden Mercedes-Oldtimer erzählt. Dabei macht ihm ein 1968er Modell, das er hier häufig sogar im Alltag fährt, mehr Probleme als sein 1939er Modell, das er hier in 2 Jahren von Grund auf restaurieren ließ, nachdem er es im Zustand 5-6 aus dem Nachlass einer „royal family“ erworben hat. Überhaupt sind praktisch alle Oldtimer in Indien früher in den Herrscherfamilien gelaufen – viele tun dies auch heute noch. Das normale Volk konnte sich solcherlei Luxus ja überhaupt nicht leisten. Ich sage Hilfe zu und er will mir Daten und Fakten der Autos sowie eine Liste der benötigten Teile per eMail senden. Mal sehen, ob ich mehr Glück bei der Ersatzteilsuche habe, als er.

Die Fahrradwerkstatt wird am Morgen eröffnet

 "Im Auftrag des ADAC"?

Eine siebenstündige Überlandfahrt führt über kleine Landstraßen, durch winzige Dörfer und bringt mich gerade rechtzeitig zum Abendessen nach Jodhpur in ein sehr nettes Hotel, das in einem 125 Jahre alten Haus untergebracht ist. Der nette Hoteldirektor, ein Urenkel des Erbauers, heißt mich persönlich willkommen und kümmert sich so aufmerksam und freundlich um mich, wie es mir in meinen zahlreichen Hotelaufenthalten noch nie passiert ist.
Mit immerhin über 1 Million Einwohnern ist Jodhpur übrigens die vierte Millionenstadt in vier Tagen. Es gibt wirklich wahnsinnig viele Menschen hier in Indien. Das wusste ich ja. Was ich allerdings nicht wusste, ist, dass der größte Teil davon offenbar gleichzeitig auf der Straße unterwegs ist.

21. März 2013

Zunächst nehme ich wie vereinbart Kontakt mit den beiden zuständigen Leuten der Oldtimersammler in Jodhpur auf. Beide sind erreichbar und der erste Termin findet gleich nach dem Frühstück statt. In einem Nobelhotel unweit des Palastes befindet sich der allergrößte Teil der imposanten Sammlung. Insgesamt über 20 Fahrzeuge, beinahe ausschließlich amerikanische Marken, in größtenteils hervorragend restauriertem Zustand finden sich hier. Ein Teil der Kollektion – ausschließlich geschlossene Autos - steht öffentlich zugänglich neben dem Hoteleingang unter einem langen Baldachin, während der größere Teil – die offenen Autos – im nicht zugänglichen benachbarten Hof ihre Garagenplätze haben. Besonders bemerkenswert ist ein Pontiac Cabriolet, von dem es zwei Stück in Indien gibt, jedoch niemand – inklusive Pontiac Clubs in USA und GM – weiß, was das für Fahrzeuge sind. Die Karosserien sind aber nachweislich original. Leider kann ich mit dem Besitzer, einem Cousin des Maharajas, nicht sprechen, da er nicht in der Stadt ist. Dafür habe ich ausführlich Gelegenheit, mit dem Mann zu sprechen, der für die Restaurierung und Erhaltung der Sammlung zuständig ist. Auch er klagt über teilweise schwierige Ersatzteilbeschaffung, teilweise begründet durch unverständliche Importbeschränkungen. So dürfen beispielsweise gebrauchte Ersatzteile überhaupt nicht eingeführt werden. Auch hier verspreche ich, nach Kräften behilflich zu sein.



Damit ist der Oldtimer-Teil des Tages erledigt und das Mehrangarh Fort will erstürmt werden. Diese imposante Befestigungsanlage mit integriertem Palast stellt sich als das Eindrucksvollste heraus, was ich in dieser Richtung je gesehen habe. So werden auch hier  aus einer geplanten knappen Stunde am Ende über 2 ½ Stunden und mein armer Fahrer muss schon wieder auf ein Mittagessen zu normaler Uhrzeit verzichten. Er ist aber mittlerweile bei mir schon daran gewöhnt und beklagt sich nicht. Im Gegenteil, er sorgt um kurz vor 17 Uhr sogar dafür, dass auch ich etwas bekomme, indem er einen Jungen losschickt, für uns beide etwas zu holen. Ich frage nicht, was der Kleine da anbringt, sondern probiere es einfach – sämtliche guten Vorsätze, was die Ernährungsauswahl und die damit einhergehende Vorsicht angeht, über Bord werfend. Aber es ist weder über die Maßen scharf noch in sonstiger Weise unangenehm. Nein, es schmeckt sogar sehr gut und ich esse es mit Appetit. Bisher bin ich damit eigentlich immer gut gefahren: Wenn etwas geschmeckt hat, hat es auch noch nie internistischen Schaden angerichtet. Ich weiß bis jetzt noch nicht genau, was es war, aber es war vegetarisch, herausgebacken, innen gelb und heiß, sowie dreieckig. Also hoffentlich auch morgen alles noch im grünen Bereich.





Ein ausgedehnter Spaziergang in der Umgebung des Clocktower, also im Zentrum Jodhpurs, bietet wieder alles, was man sich unter solchen orientalischen Städten vorstellen kann und noch viel mehr darüber hinaus. Das bunte Treiben ist faszinierend (wer schon einmal hier was, weiß, wovon ich rede) und man könnte sich problemlos einfach den ganzen Tag hinsetzen um zusehen, wie der Wahnsinn seinen Lauf nimmt.

Pferde-Rikscha in Jodhpurs Innenstadt

Beim Autofahren ist auch hier telefonieren verboten. Beim Motorradfahren scheinbar nicht.

Zwischenzeitlich hat auch der zweite Kontaktmann bei meinem verständnisvollen Fahrer angerufen und ich habe morgen um halb elf einen Termin im Palast, um mir die Autosammlung seiner königlichen Hoheit, des Maharajas von Jodhpur, anzusehen. Ich kann es kaum glauben, wie hier alles klappt. Und vor allem, mit welcher Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sich hier wildfremde Menschen um mich, einen für sie ebenso wildfremdem Europäer, kümmern und sich bemühen! Das einzige, was nicht klappt, wie geplant, ist der tägliche Internetzugang. War es in Agra schon nicht möglich, hat hier ein Kurzschluss das Modem beschädigt. Bei näherer Betrachtung der abenteuerlich „auf Putz“ verlegten, häufig wild und nicht isoliert verzwirbelten Verkabelungen in der ganzen Stadt bzw. wohl im ganzen Land, ist es eigentlich ein Wunder, dass es nicht ständig Kurzschlüsse gibt! Aber grundsätzlich ist das ja kein großes Problem - besonders angesichts der Probleme, die zahllose Menschen in Indien haben. Wird die Blog-Aktualisierung (seit 18.3., abends) eben erst morgen hochgeladen. Oder übermorgen. Man wird hier sehr schnell gelassener. Und zufriedener. Ich sollte öfter herkommen.

22. März 2013

Pünktlich um 10:30 Uhr fahre ich am Palast vor und werde sogleich vom hiesigen Kontaktmann begrüßt, der mich an den "Herrn der Autosammlung" weitergibt. Die Wartezeit verbringe ich damit, zunächst die Jaguarsammlung in der Vorhalle des Palastes des Maharajas zu betrachten. Wen wundert's, dass hier man hier einen Jaguar wie eine Trophäe an die Wand hängt - wäre die Jagd früher doch immer ein gerne genommener gesellschaftlicher Anlass.






Ich kann mich in der Garage nach Belieben umsehen. Zu diesem Zweck werden mir noch zwei Bedienstete an die Seite gestellt, die mir bei Bedarf Türen, Motorhauben und Garagentore zwecks besserem Licht öffnen.

Leider ist der Maharadja selbst erst morgen wieder in der Stadt aber ich denke, ich komme wieder einmal her. Und vielleicht habe ich dann Gelegenheit, mit ihm ein "Benzingespräch" zu führen.

Der Rest des Tages ist mehr oder weniger damit verplant, nach Udaipur zu fahren. Die Zubringerautobahn zur Hauptverbindung Delhi - Bombay ist eine viel befahrene Straße durch wüstenartiges Gebiet. Es sind die Ausläufer der Thar-Wüste, die sich fast von der Mitte Rajasthans bis nach Pakistan hinein erstreckt. Unterwegs habe ich noch Gelegenheit, die Jain-Tempel von Rankpur zu besichtigen. Dort fühlt man sich schlagartig in Rudyard Kiplings "Dschungelbuch" versetzt. Da dort eine Menge Affen herumtollen, fehlte nur noch, das hinter der nächsten Ecke der Affenkönig King Louie auftaucht und sein "Ich wär' so gern wie Du" anstimmt. Diesen Ohrwurm kriege ich auch die nächsten 30 Minuten nicht mehr los. Aber egal, er passt irgendwie gut in die Landschaft.



Schließlich, es ist schon dunkel, ist Udaipur erreicht und durch die belebten engen Gassen der Altstadt geht es direkt hinein in den City Palast, wo ich in einem der dortigen Hotels, dem Fateh Prakash Palace Hotel, meine Bleibe für die nächsten Tage haben werde. Meine Frau ist schon zwei Stunden zuvor direkt aus München über Delhi hier im Palast angekommen und gemeinsam werden wir nun versuchen, möglichst viel Material zu sammeln. Man hat uns sogar noch ein Zimmer-Upgrade zugute kommen lassen und so lande ich unvermittelt in einer anderen Welt. Die Aussicht vom Balkon unserer Suite über den Pichola See mit seinem weltberühmten Lake Palace (bekannt spätestens seit "James Bond - Octopussy", der zu einem großen Teil hier in Udaipur gedreht wurde) ist einfach atemberaubend und irgendwie komme ich mir spätestens jetzt  vor wie in einem Märchen.

Mein treuer Fahrer wird sozusagen von mir entlassen. Er macht sich morgen früh wieder auf den direkten Heimweg nach Delhi (gut 700 km) macht. Er hat mich stets sicher und ohne jede "Feindberührung" souverän durch den Wahnsinns-Verkehr manövriert. Ich revidiere hiermit offiziell das Vorurteil, Inder könnten nicht Autofahren. Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe noch nirgends auf der Welt Fahrer gesehen, die die Abmessungen und das Fahrverhalten ihrer Fahrzeuge derart gut im Griff haben. Sie fahren ständig unter höchster Aufmerksamkeit und ich muss mich wundern, warum Indien nicht eine Unmenge von Renn- und Rallyefahrern hervorbringt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass man hier eben doch nicht die gleichen Chancen hat, wie anderswo auf der Welt.  Ebenso revidiere ich offiziell mein Vorurteil über in Indien gebaute Fahrzeuge. Ein Auto (Lastwagen, Motorrad, Fahrrad etc.), das  diesen Ansprüchen unter diesen Einsatzbedingungen gerecht wird, muss einfach was taugen!  Sorry Mercedes, BMW & Co.

23. März 2013

Um 06:30 geht die Sonne auf. Genau die richtige Zeit also, vom Balkon aus zu beobachten, wie der Lake Palace langsam in weiches Sonnenlicht getaucht wird. 


Im Lauf des Vormittags nimmt der Palast mit uns Kontakt auf. Die Veranstaltungen das Holi Festivals beginnen um 11:00 Uhr mit einem Empfang durch Prinz Lakshyaraj, dem Sohn des Maharanas. Wir werden wie Staatsgäste dorthin geleitet und der Prinz begrüßt uns persönlich. Man ist ganz offensichtlich gut auf unser Kommen vorbereitet.

HH Prince Lakshyaraj mit zwei seiner Mitarbeiter

Eine kleine Ausstellung von regionalem Kunsthandwerk sowie eine Gemäldeausstellung runden das Vormittagsprogramm ab. Danach zeigt man uns noch die Kristallsammlung sowie das Silbermuseum, bevor wir bei einem Mittagsimbiss von unserem Begleiter das Programm der kommenden Tage dargelegt bekommen. Am Nachmittag besuchen wir als Erstes das Automuseum, das im ehemaligen Fuhrpark des Palastes untergebracht ist. Eine wirkliche Traumgarage! Dort, wo früher die Fahrer und Mechaniker wohnten, ist heute ein Hotel, die zentrale, alte Werkstatt ein Restaurant. Die Garagen sind halbkreisförmig ausgerichtet wie es von Ringlokschuppen bekannt ist. Auf dem Areal befindet sich noch die originale (Shell-) Tankstelle. Beinahe 100 Jahre alt, ist so zwar noch funktionstüchtig, wird aber nicht mehr benutzt. Selbstverständlich war das sehr lange weit und breit die einzige Tankstelle - die Autos des Maharanas waren ja auch weit und breit die einzigen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Dementsprechend gab es zu beginn der Motorisierung auch keinerlei Straßen. Man musste die gleichen Wege benutzen, wie die Ochsenkarren. Eine Reise von 50 km dauerte 2 Tage. Zudem konnte man im Sommer wegen der großen Hitze (häufig bis 48°C) nur bis ca. 14:00 Uhr fahren, da es sonst den Autos zu warm wurde.


Zusammen mit Mr. Singh, der uns persönlich betreut, an der alten Tankstelle, die vollständig im Original erhalten ist

Ein betagter Rolls Royce genießt eine Wellnessbehandlung in der hauseignen Werkstatt

Von der königlichen Garage geht es direkt zum See, wo bereits ein kleines Boot auf uns wartet. Genau rechtzeitig zum Sonne
nuntergang bietet man uns eine private Bootsfahrt über den See an. So bekommen wir endlich den City Palace in seine vollen Größe zu sehen - das ist ja der einzige "Kritikpunkt" der uns einfällt: Wenn man im Palast wohnt, sieht man ihn nicht.


Am Abend sind wir, wie die nächsten Tage jeden Abend, verplant. Heute steht ein klassisches indisches Konzert mit Tanzdarbietungen im Palasthof auf dem Programm. Fremdartige Klänge in dieser Umgebung - es ist einfach unbeschreiblich und man beginnt unweigerlich darauf zu warten, wann man aus dem Traum aufwacht.


24. März 2013

Heute ist Kultur angesagt. Es beginnt schon damit, dass um 05:00 der Wecker klingelt. Pünktlich um 05:15 wird Kaffee auf das Zimmer gebracht und um 05:30 werde ich abgeholt und durch die weitläufige Palastanlage durch zahlreiche Tore und über viele Treppen bis zu einer Dachterrasse gebracht, wo um kurz nach halb 6 Uhr Morgens ein klassisches indisches Morgenkonzert stattfindet. Es gibt einen Morgen-Raga zu hören (Ragas sind religiöse Musikstücke, die teilweise bestimmten Tageszeiten zugeordnet sind) und so lauschen rund 30 Gäste den fremdartigen Klängen auf der stimmungsvollen Dachterasse. Das Publikum sitzt dabei auf dem Boden auf weißen Stoffbahnen mit einer Kissenrolle im Rücken. Langsam beginn es zu dämmern, die Vögel erwachen und stimmen in die Musik ein. Greifvögel kreisen über dem Palast und zwei große, schwarzgesichtige Affen rasen über die Dächer, nur wenige Meter an der morgendlichen Musikgesellschaft vorbei. Kann man sich eine würdigere Begrüßung des neuen Tagens vorstellen?! Als die Sonne schließlich aufgegangen ist, haben sich auch die Reihen vollends gefüllt und so sind es bestimmt an die 100 Leute geworden, die sich bis 8 Uhr an dieser ungewöhnlichen morgendlichen Darbietung erfreuen..

05:45 Uhr über den Dächern von Udaipur

Sonnenaufgang



Nach dem Frühstück auf der „Sunset Terrace“ treffen wir unseren persönlichen Guide für heute. Er erklärt uns zunächst die wichtigsten geschichtlichen Hintergründe, damit wir auch das nötige Grundwissen haben, um alles richtig zu verstehen. Der Rundgang durch den Palast und seine Museen hat es in sich. Waffenkammer, Miniaturgemälde-Sammlung (wobei nicht das Format, sondern die Darstellung der Bilder gemeint ist), unzählige Innenhöfe und Audienzhallen, Wohnbereiche und Dachterrassen später, sind wir schier erschlagen von dem, was uns hier geboten wird.







Nachmittags „wagen“ wir uns hinaus auf die Gassen Udaipurs, die den Palast umgeben. Das übliche Marktgewimmel ist hier etwas weniger chaotisch als schon gesehen, aber genauso faszinierend. Hier gibt es auch jede Menge „roof top restaurants“, denn alle wollen ein wenig von dem traumhaften Blick auf die berühmte Kulisse profitieren.

Der Abend ist wiederum kulturell bestimmt. Beinahe selbstverständlich werden wir um 18:30 persönlich an der Rezeption abgeholt und zum Ort des Geschehens gebracht. Dort nimmt uns jemand anderes namentlich in Empfang und geleitet uns zu unseren Plätzen in der ersten Reihe.  Heute wird auch der Maharana anwesend sein. Es gibt – was sonst? - klassische indische Musik. Als der Maharana mit seiner Frau (die Maharani) und seinem Sohn schließlich erscheint, stehen alle auf um sich erst wieder zu setzen, als auch die königliche Familie auf den Sofas drei Meter neben uns Platz genommen hat.

Obwohl wir den Inhalt der Texte nicht verstehen und die Melodie für unsere Ohren und Hörgewohnheiten schwer zu erkennen ist, nimmt uns der Gesang der in Indien sehr bekannten Sängerin Ms. Shashwati gefangen. Wir wundern uns, angesichts der pausenfreien Darbietung, was menschliche Stimmbänder aushalten können. Während über 90 Minuten gibt es nur 3 sehr kurze Pausen von weniger als 2 Minuten, um die Instrumente nachzustimmen.


Als das Konzert zu Ende ist, betritt der Maharana die Bühne um sich bei den Künstlern zu bedanken, die ihm durch Berühren seiner Füße und tiefen Verbeugungen die Ehre erweisen. Anschließend wird ihm unsere Anwesenheit mitgeteilt und er kommt mit ausgestreckter Hand auf mich zu und begrüßte mich mit den Worten „Aah – long time since we met in Pebble Beach! How are you and how ist your stay in my house so far? Are you enjoying it? Is it your first visit in Udaipur?“ Er begrüßt auch Sabine per Handschlag und stellt uns kurz seine Frau vor, aber wir haben natürlich gerade einmal die Möglichkeit zu ein paar Minuten Smalltalk. Wir werden ihn jedoch noch ausführlicher treffen um uns wenigstens eine halbe Stunde mit ihm unterhalten zu können.

Fast fällt es uns schwer, zu realisieren, was hier alles mit uns passiert. Und das herrliche Abendessen auf der Sunset Terrace mit Blick auf den beleuchteten, strahlend weißen Lake Palace macht das nicht wirklich einfacher.



25. März 2013

Nach all der Kultur gestern geht es heute wieder einmal um Autos. Ein erneuter Besuch der Oldtimersammlung des Maharanas ist gleich nach dem Frühstück, das uns um 06:30 Uhr auf unserem Zimmer serviert wird (was uns erneut das Erlebnis eines Sonnenaufganges über dem See einbringt) angesagt. Ich soll Zeit bekommen, in Ruhe einige Fotos machen zu können, bevor das Museum für „normale“ Besucher geöffnet wird. Leider sind die Licht- und Platzverhältnisse auch heute sehr schwierig und eigentlich bräuchte man wesentlich mehr Ausrüstung, als ich dabei habe. Trotzdem versuchen wir, das Beste daraus zu machen. Leider wäre es nur aus der Luft möglich, diese genial auf den Zweck zugeschnittene Anlage vollständig ablichten zu können.



Nachmittags steht noch ein Besuch des Monsoon-Palastes auf dem Programm, Dieser luftige Sommerpalast steht auf einem Berg im Nordwesten der Stadt und bietet einen herrlichen Blick auf Udaipur und Umgebung. Da unser Zimmer im City Palast eine derart geniale Lage hat, kann man es sogar von hier oben aus erkennen.  Der Monsoon-Palast wurde in den heißen Sommermonaten genutzt, weil es dort oben doch etwas luftiger zuging. Immerhin erreicht das Thermometer im Sommer bis zu 50°C (wovon wir derzeit aber noch 12 bis 15 °C entfernt sind). In den 1950er Jahren hat der Vater des heutigen Maharana den Monsoon-Palast der Regierung überschrieben, die ihn seitdem leider sehr verkommen lässt. Was ließe sich nicht alles aus diesem Juwel machen, das so exponiert inmitten eines Wildparks (in dem es noch einige wildlebende Leoparden geben soll) auf der Bergspitze liegt?! Sogar die teilweise sehr steile Straße, die hier seit den frühen 1920er Jahren hochführt, ist bemerkenswert und wäre in Deutschland längst Austragungsort eines Bergrennens geworden. Vor Einführung des Automobils war die einzige Möglichkeit, in den Monsoon-Palast zu kommen, eine Elefantenkarawane, da ja auch der gesamte Hausrat, der für einen Aufenthalt benötigt wurde, hoch geschleppt werden musste.



Am Abend – wie sollte es anders sein – gibt es erneut ein tolles Kulturangebot. Eine Musik- und Tanzdarbietung stellt beinahe alles bisherige in den Schatten. Die Farbenpracht ist nicht mehr zu überbieten. Die dargestellte Geschichte ist die von Holika, der Namensgeberin des Holi-Festes, das übermorgen als „Festival of Colors“ begangen wird. Die bisherigen Feierlichkeiten (Holika Dahan) sind ein Kulturprogramm des Palastes, das morgen in einer großen Zeremonie seinen Höhepunkt finden wird.

Zahlreiche Tänzer wirbeln über die Bühne und künstlicher Nebel, farbige Scheinwerfer und Blütenblätter, die in die Luft geworfen werden, stellen das Farbpulver dar, das zum Holi-Fest die ganze Stadt in einen Farbenrausch tauchen wird.






Der Maharana und seine Familie sind auch wieder anwesend und auch heute ergibt sich nach der Vorstellung die Möglichkeit, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Auf seine Frage, ob es mir gefallen hat, bemerke ich nur, dass ich fürchte, dass nach diesen Farben das weitere Leben nur noch aus Grautönen bestehen wird.

Abschließend fahren wir noch einmal zur Garage des Palastes und versuchen, ob sich aus der Kombination von Dunkelheit und dem vorhandenen künstlichen Licht noch etwas machen lässt, um wenigstens der 1914er Rolls Royce aus Pebble Beach etwas besser in Szene zu setzen.


26. März 2013

Heute Abend ist die Hauptveranstaltung und somit der Höhepunkt des Holika Dahan Festivals im Palast von Udaipur. Somit verbringen wir zunächst einmal einen ruhigen Tag. Wir shoppen in einem der Läden, die im Palast untergebracht sind. Beinahe selbstverständlich, dass der Ladenbesitzer davon informiert wird, dass wir persönliche Gäste des Maharana sind und daher automatisch die bestmöglichen Preise zu bekommen haben.


Da heute alle wegen der Zeremonie sehr beschäftigt sind wird es ein eher ruhiger Tag für uns. Zum Mittagessen werden wir von einem Fahrer in die etwa 6 km entfernte „Jagdhütte“ gebracht. Wie sich herausstellt, ist die Jagdhütte eher eine Lodge, das Shikarbadi Hotel, und gehört zur Hotelgruppe der HRH Hotels des Maharans. In traumhafter Kulisse und herrlicher Ruhe wird uns erneut ein unvergleichlich gutes Essen serviert. Die indische Küche ist derart gut, dass wir gar nicht mehr wissen, was wir noch alles probieren sollen. Vor allem stellen sich die Behauptungen, dass alles so scharf ist, als eher übertrieben heraus. Was allerdings das Tollst ist: Vorgestern haben wir ein paar Mitglieder einer kanadischen Reisegruppe gesehen, die doch tatsächlich Pizza und Cola bestellt haben, während 3 Meter nebenan anlässlich eines kleinen Street Food Festivals die größten Köstlichkeiten angeboten werden für weitaus weniger Geld. Und das nicht etwa irgendwo in einem dubiosen Lokal, sondern in einem wunderbaren Restaurant im Palast, wo ich mittlerweile nicht einmal mehr bei Wasser und Eis die für Indien angeratene Vorsicht walten lasse. Aber Pizza! Da fällt einem einfach nichts mehr ein. Uns jedenfalls nicht.



Die Ehrengarde nimmt vor dem privaten Wohnbereich des Maharanas Aufstellung

Um 18:00 Uhr begeben wir uns zum Veranstaltungsgelände, um in Ruhe unsere Plätze einzunehmen. Da wir unsere Eintrittskarten auf dem Zimmer vergessen haben, will uns der Kontrolleur am Eingang berechtigterweise nicht einlassen. Aber kaum 20 Sekunden später kommt ein aufmerksamer Mitarbeiter des Palastes heran geeilt, begrüßt uns namentlich und erklärt dem Kontrolleur, dass alles in Ordnung ist. Wir werden zu unseren Plätzen in der ersten Reihe geleitet, wo wir alles aus nächster Nähe mitbekommen werden.

Dann ist es soweit: Die "Soldaten" der Ehrengarde paradieren heran, zu Fuß und hoch zu Ross. Eine Gruppe uniformierter Dudelsackpfeifer marschiert lautstark auf. Schließlich fährt der Kronprinz in einem der offenen Cadillac-Oldtimer aus dem Museum vor. Besser gesagt, er wird natürlich vorgefahren. Als nächstes trifft seine Mutter, die Maharani ein, die von ihm zu ihrem Platz gebracht wird. Und als Letzter hat der Maharana seinen Auftritt. Er fährt in einer Kutsche vor und die Zeremonie beginnt. Nach Gebeten und rituellen Beschwörungsformeln wird schließlich die Stohfigur, die die arme Holika darstellt,  angezündet und vom Maharana und seiner Familie mehrfach umkreist. Mit diesem Fest wird einerseits Holika gedacht, die aufgrund wundersamer religiöser Verstrickungen  verbrannt wurde, gleichzeitig wird mit dem Fest und dem Feuer auch der Winter ausgetrieben bzw. das Frühjahr begrüßt. Außerdem ist das Holi-Fest auch eine Art Erntedankfest. Wer mehr zu den Hintergründen zum Holika Dahan  erfahren will, klickt hier.




Das Holi-Fest ist in vollem Gang. Nachdem das Feuer niedergebrannt ist und das Feuerwerk vorbei ist, begibt sich die gesamte Festgemeinde in einen anderen Hof, wo es noch einen Tanzaufführung und dann Abendessen gibt. Zahllose Kerzen tauchen den Hof in ein stimmungsvolles Ambiente. Happy Holi!




27. März 2013

Happy Holi! Das ist auch heute der Wunsch der einem von jedem entgegengebracht wird. Am 27.3. ist dieses Jahr der Holi-Feiertag. Alle Geschäfte sind bereits seit gestern Nachmittag geschlossen. In der ganzen Stadt ist zu diesem Anlass aufgeräumt worden. Um 11:00 Uhr werden wir von einem Fahrer abgeholt, der uns zum Privathaus unseres persönlichen Betreuers bringt. Dort haben wir die Gelegenheit, in privatem Rahmen Holi zu feiern. „Playing Holi“ heißt das hier und gleich zur Begrüßung werden wir von unserem Gastgeber und auch von seinem 89jährigen Großvater mit dem knallbunten Farbpulver, das aus Specksteinstaub hergestellt wird, eingerieben. Ebenso geht es allen anderen Gästen und innerhalb kürzester Zeit ist alles bunt. Die Kinder haben den größten Spaß daran, die Erwachsenen nass zu spritzen, denn dann geht die Farbe schwerer ab. In einem Nachbarhaus wird noch eine kleine Zeremonie abgehalten, an der wir teilnehmen können. Im Mittelpunkt steht ein 7 Monate altes Baby, das sein erstes Holi-Fest feiert. Im Laufe der Zeremonie erhält es von allen Anwesenden die besten Wünsche mit auf den Weg.



Als wir wieder zurück im Haus unseres Gastgebers sind, dauert es nicht lange und Prinz Lakshyaraj kommt auf einen Besuch vorbei. Heute ganz in zivil und lässig unterwegs nimmt er Platz und wenn man es nicht wüsste, wäre er einfach ein „ganz normaler“ Mensch.

Langsam gilt es, dass wir uns auf den Weg machen. Um 17:00 Uhr haben wir einen Termin beim Maharana und bis dahin sollten wir wieder halbwegs sauber sein. Nach einer Stunde heftigem Schrubben kommt unsere originale „Patina“ wieder zum Vorschein und frisch restauriert machen wir uns auf den kurzen Weg zur Privatresidenz im Palastkomplex.



Auch der Maharana ist heute zivil unterwegs. Er hat heute einen ruhigen Tag und freut sich, dass wir nun endlich Gelegenheit haben, uns etwas privat zu unterhalten. Erinnerungen an Pebble Beach 2012 werden aufgefrischt und er erzählt ausführlich von der 10 Jahre dauernden Restaurierung und den bürokratischen Hürden, die er zu nehmen hatte, um den Rolls Royce aus Indien hinaus und anschließend auch wieder hinein zu bekommen. Wir haben seiner 7jährigen Enkeltochter ein englisches Ferdinand-Buch mitgebracht und so ruft er sie herbei, damit wir das Geschenk persönlich übergeben können. Die kleine Prinzessin freut sich, bedankt sich artig und verspricht, per eMail ein Feedback zu geben. Ich bin auf die königliche Kritik schon sehr gespannt.


Abschließend teilt uns der Maharana noch mit, dass er wahrscheinlich noch in diesem Jahr nach München kommt und bei dieser Gelegenheit dann auch unsere Garage anschauen möchte. Da er auch einen Ford A (Bj. 1930) besitzt, ist er natürlich besonders interessiert.


Auf dem Rückweg zu unserem Zimmer überlegen wir, ob wir dann mit ihm in einen Biergarten gehen sollen – ich denke, das wird ihm gefallen.

Unseren letzten gemeinsamen Abend dürfen wir mit einem Exklusiv-Dinner im Jagmandir Island Palace mitten auf dem Pichola See begehen. Ein privates Boot setzt uns über und von hier haben wir endlich einen guten Blick auf unser Traumdomizil, das der City Palace nun für fast eine Woche gewesen ist. Der Palast wurde im 17 Jahrhundert erbaut und ein Teil davon gilt als „Vorlage“ oder Inspiration für das später erbaute Taj Mahal. Tatsächlich hat es die gleichen Proportionen, nur viel kleiner natürlich. 1623 hat der Bauherr des Taj Mahal hier Zuflucht gefunden und die Inspiration mitgenommen. So dinieren wir also in diesem herrlichen Ambiente mit Blick über den See auf City Palace und Lake Palace, werden aufs Beste von unserem persönlichen Kellner (nein, „Kellner“ kann man das bei dieser erstklassigen Behandlung eigentlich gar nicht nennen!) bedient und kommen uns irgendwie immer noch wie in einem Märchen vor.


28. März 2013

Der Maharana hat mich gebeten, seinen 1930er Ford A Phaeton einmal etwas genauer anzuschauen und so fahren wir morgens gleich zur Garage. Heute steht "rein zufällig" der Ford A unter dem Pavillon, da die Autos hier ohnehin wöchentlich durchgewechselt werden. So kann ich das Fahrzeug in Ruhe inspizieren, finde aber nur wenige nicht originale Teile, die leicht ausgewechselt werden können. Ich finde noch heraus, dass es sich um einen in Canada gebauten Ford A handelt, da er eine originale CAT-Motornummer hat, die nur in Canada verwendet wurden. Dort wurden auch rechtsgesteuerte Ford A für das British Empire gebaut - insgesamt eine schlüssige Historie also. Ich finde, das Rot steht dem Auto auch ziemlich gut.


Der restliche Tag besteht nur noch aus diversen Einkäufen. Vor lauter Programm sind wir kaum dazu gekommen, Mitbringsel zu kaufen und so ziehen wir noch einmal los. Gefühlte 100.000 Tücher später ist auch das erledigt und um 19:00 Uhr ist diese denkwürdige Reise für meine Frau so gut wie zu Ende. Ich setze sie am Flughafen in Udaipur ab, von wo sie den Heimflug antritt. Ich werde morgen mittag abgeholt und fahre (besser: lasse fahren) über Jaipur zurück nach Delhi, wo ich mich noch einmal mit den Motorrad-Leuten treffen werde, die ich zu Beginn der Reise kennen gelernt habe. Ich glaube, in dieser Richtung wird sich etwas ergeben in nächster Zeit!


29. März 2013

Der Tag der Abreise ist gekommen. Die letzten Stunden im Palast verbringe ich mit einer Besprechung zu einem Projekt, das wir für das kommende Jahr andenken. Dabei habe ich auch noch Gelegenheit, mich wenigstens bei Prinz Lakshyaraj für die unglaubliche Gastfreundschaft zu bedanken. Der Maharana musste überraschend nach Delhi abreisen und so kann ich mich bei ihm heute nicht mehr persönlich verabschieden.

Frühstück

Der Abschied fällt schwer, nicht nur, weil es hier im Palast von Udaipur so schön ist und wir so herrschaftlich behandelt werden. Ich habe auch eine ganze Reihe neuer Freunde gewonnen.  Etwas verspätet mache ich mich also mit meinem neuen Fahrer auf den Weg nach Jaipur. Der alltägliche Wahnsinn hat mich also wieder. Am chaotischen Verkehr hat sich seit letzter Woche nichts geändert und so streben wir laut hupend meiner vorletzten Station zu. Ich bemerke durchaus einen Unterschied beim Fahrstil zwischen den Palastangestellten und „normalen Menschen“: Letztere sind einfach lauter. Die Fahrer, die im Dienst seiner Hoheit stehen, gehen die Sache etwas ruhiger an, fahren wesentlich verhaltener und hupen deutlich weniger.



Auf der Autobahn verfehlen wir wegen zahlreicher am Straßenrand parkender LKW knapp die Ausfahrt nach Chittorgarh, der alten Hauptstadt Mewars. Kein Problem – eine Lücke im Verkehr wird zum wenden benutzt, eine weitere, um eine LKW-Länge gegen die Fahrtrichtung zurück zu fahren und eine dritte, um schließlich die Ausfahrt zu erreichen und in einer Art Spitzkehre die Autobahn beinahe regelkonform zu verlassen.

Da auch das überlebt ist, habe ich wenig später doch noch Gelegenheit, das Fort in Chittorgarh zu besichtigen – wenn auch nur kurz. Ich besteige den sog. Siegesturm, eine architektonische Meisterleistung. Eigentlich handelt es sich dabei um eine 37 m hohe „begehbare Säule“. Eine extrem enge Treppe schraubt sich in unterschiedlicher Anordnung von Stockwerk zu Stockwerk, führt ab und zu wieder ein paar Stufen hinab, um dann in anderer Windung weiter nach oben zu führen. Dort endet sich in einem Raum, der gleichzeitig die Spitze des Turmes bildet und eine großartige Aussicht ermöglicht. Das Hinabsteigen stellt sich deutlich schwieriger dar, da offenbar eine große Gruppe indischer Touristen gerade mit dem Aufstieg beschäftigt ist. Die „einspurige“ Treppe lässt eigentlich keinen Begegnungsverkehr zu und so erinnere ich mich bald an die „Verkehrsegeln“ und nutze einfach frech jede sich bietende Lücke, zur Not auch bei Gegenverkehr. Eine Hupe wäre hilfreich, aber es geht auch so und ich lande schließlich wieder im Erdgeschoß, wo zunächst die Suche nach meinen Schuhen ansteht.


Der gesamte Bergrücken ist befestigt, die Anlage ist sicher 2 km lang

Weiter geht es Richtung Jaipur. Nach Einbruch der Dunkelheit sind kaum noch PKW auf der Autobahn unterwegs. 90 % der Fahrzeuge sind LKW, mehr oder weniger beleuchtet, allesamt nach unseren Maßstäben eher verkehrsunsicher. Eine Reifenpanne wird kurzerhand auf der Überholspur behoben – die „Reparaturstelle“ (eine Unfallstelle ist es ja noch nicht) wird durch ein 5 m hinter dem LKW quer zur Fahrtrichtung abgestelltes Motorrad abgesichert, während sich der Fahrer und ein Helfer todesmutig am Hinterrad zu schaffen machen.


Kaum dass die Stadt erreicht ist, mischen sich zunehmend nervenstarke Tuk-Tuk-Fahrer unter die LKW und versuchen, nicht unter die Räder zu kommen. Glücklicherweise erkenne ich das Chaos in der Nähe des früher erwähnten Busbahnhofes wieder und so findet der Fahrer unter meiner Wegweisung sicher den Weg ins Hotel. Gut, wenn man sich auskennt. Den beiden jungen europäischen Touristinnen, die hier im falschen Hotel Laxmi Palace gelandet sind, weil sie die Visitenkarte ihres Hotels verloren haben, und nur noch wissen, dass es „something with Laxmi“ hieß, kann ich allerdings nicht helfen. Der nette Rezeptionist schreibt ihnen jedoch alle 5 Adressen von Hotels, die grundsätzlich in Frage kommen auf und so steht den beiden sicher noch eine abenteuerliche Tuk-Tuk-Fahrt durch’s nächtliche Jaipur bevor.

Eine Kleinigkeit möchte ich hier noch erwähnen: In der Ruinienanlage von Chittorgarh sind - wie bei allen Sehenswürdigkeiten - natürlich mehr oder weniger aufdringliche Verkäufer von irgendwelchem Souvenirkitsch unterwegs. Die meisten lassen es beim Versuch und akzeptieren spätestens das zweite Nein. Normalerweise kaufe ich denen nichts ab, denn wie gnadenlos überhöht die Preise sind, zeigt ein Beispiel aus Fatehpur Sikri: Dort wollte ein Junge für ein paar bunte Kugelschreiber erst 10 Dollar (ca. 5.000 Rupien), dann, nachdem ich ablehnte, ging er von alleine immer weiter runter. Am Ende wollte er nur noch 100 Rupies für die 10 Stifte. Die habe ich ihm dann schließlich auch gegeben, damit Ruhe ist. Es lag eigentlich hauptsächlich daran, dass er gut drauf war, mir natürlich auch irgendwie leid tat und zudem keine anderen mehr in Sichtweite waren. Aber wie gesagt, normalerweise sollte man in diesen Situationen wohl lieber nichts kaufen. Vor allem, weil man ja dann sehr große Mühe hat, alle anderen, denen man nichts abgekauft hat, loszuwerden. Heute, in Chittorgarh, habe ich diese Mühe auf mich genommen. Nachdem ich mich freundlich ablehnend durch eine ganze Gruppe kleiner Mädchen gekämpft habe, die mir ihre Ware unter die Nase hielten, bin ich am Ausgang schließlich stehen geblieben, habe umgedreht und bin die 100 m zurück gelaufen. Unter den ganzen Sachen ist mir etwas aufgefallen: Eine vielleicht 6jährige, die bescheidenste und zurückhaltendste unter allen, hatte nämlich kleine, selbstgemalte Bilder angeboten anstatt den üblichen Ramsch. Das hat mir dann doch imponiert und ich habe ihr 4 Stück abgekauft. Das Leuchten in Ihren dunklen Augen war die 50 Rupies alleine schon wert und außerdem ist das ein richtiges Andenken. Ich bin im Nachhinein noch froh, dass ich das gemacht habe.




30. März 2013

Der Weg nach Delhi besteht praktisch durchgehend aus Autobahn. Was nicht heisst, dass die ca. 250 km schnell zurückgelegt sind. Gute 5 Stunden Fahrzeit muss man einkalkulieren und man braucht sie auch, wie sich herausstellt.

Auch heute schickt der Fahrer vor der Abfahrt  ein kleines Stoßgebet zu Lord Ganesha, den elefantenköpfigen Sohn Shivas und Parvatis. Ich bin damit durchaus einverstanden, denn Ganesha habe ich längst zu einem meiner zwei „Lieblings-Gottheiten“ erklärt. Nicht nur, weil seine Verkörperung sehr sympathische Züge hat, er steht auch für allerlei, was ich als vollkommen sinnvoll erachte. Daher bin ich auch ganz beruhigt, dass Ganesha als kleines Bild auf dem Armaturenbrett immer dabei ist. Die andere hinduistische Gottheit, in deren Zuständigkeit ich mich gerne begebe, ist Lakshmi. Im Verbund mit diesen beiden, finde ich, kann in Indien nichts schiefgehen und so denke ich mir auch nichts, als uns zum wiederholten Male Geisterfahrer, die der Einfachkeit halber auf unserer Seite fahren, entgegenkommen. Obwohl, hier auf der Autobahn sehe ich eigentlich die einzigen Unfallfahrzeuge. Gut, würde man die bei uns auch einfach bis auf weiteres stehen lassen, wären die Autobahnen auch voll davon. Und in den Städten bleibt es wohl aufgrund der vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeiten meist bei kleinen Beulen und Kratzern.


Wie auch immer, wir erreichen Delhi sicher und ich stelle mein Gepäck ins Hotelzimmer, bevor ich mich erneut mit meinem neuen Motorrad-Freund treffe. Er zeigt mir vier seiner Royal Enfields und außerdem seine Ideen, wie ein solches Motorrad für mich aussehen könnte. Ich bin sehr gespannt, wie das weitergeht, denn auf dieser Basis lässt es sich gut arbeiten und planen. Mal sehen, ob und wie wir am Ende zusammen kommen und ob ich noch in der hoffentlich bald beginnenden Saison ein Bike aus Indien geliefert bekomme.



Eines der wenigen Schilder, die im Verkehr beachtet werden

Morgen geht nun meine Indien-Tour zu Ende. Zeit also, ein Resümee zu ziehen:

Von Indien im Allgemeinen habe ich ja nur sehr wenig gesehen. Rajasthan ist nur einer von 28 Bundesstaaten des riesigen Subkontinents mit 1,4 Mrd Menschen. Für mich völlig unerklärlich ist, warum über diesen Teil der Welt bei uns kaum jemand wirklich etwas weiß. Praktisch alle, mit denen ich vor der Reise gesprochen habe, warnten einmütig vor dem Essen und vor dem Wasser, manche warnten sogar davon, überhaupt irgendwas anzufassen. Außerdem lauert an jeder Ecke Malaria und Hepatitis, sowie die Gefahr, beraubt oder (als Frau) zumindest vergewaltigt zu werden. Zugegeben, ganz so schlimm war es nicht mit den Warnungen, aber tendenziell lief es darauf hinaus. Die Wirklichkeit sah nun doch ganz anders aus. Ich habe eigentlich ausschließlich freundliche Menschen getroffen. Beeindruckt hat mich auch, dass selbst sehr arme Menschen nicht mit ihrem Schicksal zu hadern scheinen. Selbst in den armseligsten Hütten am Straßenrand konnte ich nicht nur manchmal, sondern sogar sehr häufig, lachende Gesichter erkennen. Trinkwasser ist absolut kein Problem – es gibt überall Trinkwasser aus geschlossenen Flaschen. Ich habe in den einfachsten Buden an der Straße Masala-Tee getrunken, der sicher nicht mit Mineralwasser zubereitet, aber normalerweise gekocht wird. Die Gläser wurden sicher auch nicht mit desinfiziertem Wasser gespült, was ich jedoch erfolgreich verdrängt habe. Ich habe hier und da „Street Food“ probiert, fand auch alles, was ich zu mir nahm, nicht zu „spicy“ und kann mich immer noch nicht über Touristen beruhigen, die sich diesen Genüssen vor lauter Vorsicht verschließen. Heute erst habe beim Mittagsstop wieder ein europäisches Pärchen gesehen, das sich eine Tüte Kartoffelchips, eine Toblerone und eine Cola geteilt hat. Sicher nicht, weil das so gut schmeckt. Ich fragte mich also ernsthaft, wohin wir im sogenannten Westen bereits gekommen sind... 
Kurz – alle Warnungen haben sich als ziemlich überflüssig erwiesen und ich bin außerdem nun der Meinung, dass es uns in Europa gut anstehen würde, einiges zu überdenken, was unseren Alltag ausmacht.

In Sachen Oldtimer wurden alle meine Erwartungen übertroffen. Nicht nur, dass ich wesentlich mehr Fahrzeuge gesehen habe, als ich dachte. Ich habe auch viele sehr interessante Menschen getroffen und ich habe eine ganze Reihe neuer Freunde gewonnen. Alleine das war es wert.

Was den Verkehr angeht: Für einen normalen Urlaub ist ein Leihwagen mit Fahrer die richtige Wahl. In Indien befindet sich praktisch alles, was je zur Fortbewegung von Menschen und zum Transportieren von Lasten erfunden wurde, gleichzeitig in großer Harmonie (wir erinnern uns: alles fließt!) auf der Straße: Pferde- und Eselkarren, Elefanten, ganze Kamelkarawanen, Fahrradrikschahs, Lastenräder, Handwagen, Lkw und Busse in abenteuerlichen Daseinsformen, Pkw, Tuk-Tuks, Motor- und Fahrräder, Traktoren, Schwertransporte, ja sogar Erntemaschinen (obwohl hier noch sehr viel von Hand geerntet wird). All das fährt wild durcheinander. Nichts für schwache Nerven also.


Mein abschließender Rat: Planen Sie ihren nächsten Urlaub in Rajasthan! Es lohnt sich! Und wie! Auch wenn man normalerweise natürlich nicht so ausgiebig mit der hiesigen Oldtimerszene in Kontakt kommen kann, wie mir das vergönnt war.


Nachtrag 1:

Nachtrag 2:

Nachtrag 3:
Nachtrag 4:
He found my blog: "Just a Car Guy"
And another site mentions this blog too: http://chrisoncars.com/2013/07/from-pebble-beach-to-udaipur-india/

Nachtrag 5:
more pictures here: http://www.youtube.com/watch?v=DK8ezAyvr8w


Nachtrag 6:
Im Februar 2015 werden die Bahia (die Glaubensgemeinschaft, der der Lotus-Tempel gehört), von Narendra Modi offiziell als Minderheit anerkannt. Es gibt ca. 2 Millionen Bahia in Indien.

Nachtrag 7:
have a look at my blog about the "21 Guns Salute Rallye" which took place in Delhi in Februar 2015 (see time line on the top right)